Denke ich an Auswärtsspiele in Rostock, dann denke ich automatisch an feiste Bauerntölpel - und an Sachsen im Strandkorb. Doch das war früher. Heute haben die Bauerntölpel etwas trainiert und die Sachsen wurden verjagt – Rostock 2010 heißt in erster Linie „Augen auf“. Und da ein bisschen Abenteuer zum Fußball dazugehört, lockte mich das Spiel bei Hansa natürlich wie selbstverständlich hinterm Wickeltisch hervor. Auch die Hürde 18 Uhr 30 unter der Woche wurde mit olympischer Leichtigkeit genommen. Viele Spiele habe ich ja dieses Jahr auswärts eh nicht auf der Liste, aber Rostock sticht aus dem grauen Ligaeinerlei natürlich hervor.
Also wurden die bewährten Kanäle genutzt um in gewohnt gediegener Atmosphäre das alte Spiel zu spielen: Kurzweilige Fahrt mit vitaminreichen Getränken und Diskussionen auf höchstem Niveau. Inwieweit man das „Klauen“ einer einzelnen Minute, bei knapp eine Million Schüler, auf mehrere hundert Lebensjahre hochrechnen darf (oder eben nicht) wurde ebenso hart erörtert, wie das Zölibat im Allgemeinen und die Ursache für 1,5 Promille Alkohol im Blut im Speziellen. Jaja, nehmt euch da ruhig mal ein Beispiel dran, ihr… ihr… ihr Anderen! Hart diskutiert wurde auch unser Vorgehen in Rostock, doch weder mein Wunsch die zugefrorenen Ostsee zu sehen, noch die Forderung meines ehemaligen Fußballexperten unbedingt bei „Backfisch Udo“ in Warnemünde einzukehren, kamen beim Reiseleiter gut an. Stattdessen wurde relativ zeitig der ominöse Hagebaumarkt-Parkplatz angesteuert, was zwar einerseits sehr langweilig war – aber im Endeffekt die richtige Entscheidung, denn letztendlich waren wir so ziemlich perfekt zum Anpfiff im Stadion.
Auf dem Weg dorthin wurde uns allerdings nur wenig Abenteuerliches geboten. Statt den einen oder anderen stiernackigen Bauern vor die Linse zu bekommen, war der Weg zum Stadion (im wahrsten Sinne des Wortes) gepflastert mit Uniformen. Ich vermag wirklich nicht zu sagen, wann ich das letzte Mal ein derartiges Polizeiaufgebot gesehen habe. Genutzt hat auch dieses allerdings wenig, wie das kleinlaute Bedauern der Polizei im Nachhinein über „die Vorkommnisse“ vermuten lässt. Was nun wo genau alles so passiert ist, soll der interessierte Leser bitte alleine zusammentragen. Ein Blick in den Heimblock Mitte der zweiten Spielhälfte (nebst Gesprächen mit indirekt Beteiligten) verriet mir lediglich, dass sich die Rostocker auf ähnliche Art und Weise für „Ereignisse“ aus dem Hinspiel rächten. Natürlich sehr bedauerlich das bei diesen Sachen die „Leidtragenden“ in erster Linie Personen sind, die mit irgendwelchen Ultra-Auseinandersetzungen mal sogar nichts am Hut haben, aber okay – das kennt man ja. Von daher darf man auch ne ordentliche Portion Naivität durchaus anmahnen, wenn gewisse Devotionalien dem „sportlichen Gegner“ zwar nicht kampflos, aber irgendwo dann doch auf dem Silbertablett präsentiert werden. Das sich die Rostocker da nicht lange bitten lassen, konnte man (wie bereits erwähnt) dann sehr gut im Heimblock sehen, wo so manche Kutte seinen Schal oder seine Fahne wiedersehen konnte. Man muss an dieser Stelle aber auch erwähnen, dass der absolute Großteil dieser Sachen mit Sicherheit nicht am Spieltag in Rostock „verloren“ gingen. Die Rostocker waren sich ja auch nicht zu schade Dinge zu präsentieren, die nicht klassisch „erbeutet“, sondern schlichtweg feige gestohlen worden sind. Was DAS dann noch mit „Abziehen“ im herkömmlichen Sinne zu tun hat, werde ich auf meine alten Tage wohl nicht mehr verstehen… Schönen Gruß an Düsseldorf, an dieser Stelle.
Zurück zu unserer Reisegruppe. Drei von uns hatten ja noch ein Abenteuer der besonderen Art vor uns, denn in einem Anfall von absoluter Coolness, haben wir uns entschlossen Sitzplatzkarten für die Südtribüne zu kaufen. Angesichts eines ausverkauften Gästeblocks und des günstigen Preises (man beachte den ursprünglichen Termin der Ansetzung) ein Wagnis, das wir durchaus bewusst angingen. Nun war mit einem ausverkauften (und damit viel zu vollen) Gästeblock nicht mehr zu rechnen, so dass wir schon im Auto diskutierten, ob der gesunde Menschenverstand dann doch lieber über die Neugier siegen sollte. Als wir durch unsere polizeigesäumte Gasse den Gästeblock erreichten, waren wir an sich noch festen Willens unsere Sitzplätze einzunehmen. Doch ein aus heiterem Himmel über den Absperrzaun geflogenes Bierglas, welches nur nen knappen Meter neben Christoph einschlug, ließ vor allem die Ordner in nachhaltiger Form auf uns einwirken, dass unser Weg uns doch lieber in den Gästeblock führen sollte. Letztendlich war es die Einsicht, dass wir drei wahrlich nicht die Typen sind, die den 3:2 Siegtreffer in der 92. Minute mit ner symbolisch geballten Faust in der Hosentasche feiern würden, die dann doch den Verstand siegen ließ. Also wurde der Gästeblock bestiegen – und kurz nach Spielbeginn wieder verlassen. Denn durch (oben bereits angedeutete) Fehler der Polizei, kamen wohl gleich 4 Reisebusse erst nach Anpfiff am Stadion an. Die Besatzung des ersten Busses verkürzte die (wirklich mal SEHR genauen) Einlasskontrollen der Ordner auf ihre Weise auf ein absolutes Minimum, so dass die Stadiontore für die restlichen Unioner kurzerhand erst mal komplett geschlossen wurden. Dies rief natürlich wieder Unioner AUS dem Stadion VOR das Stadion, so dass zumindest zwei Tore dann doch zügig wieder geöffnet worden sind. Mit diesem ganzen Hin und Her verging die erste Viertelstunde natürlich ohne dass man sich irgendwie auf so nebensächliche Dinge wie Fußball konzentrieren konnte. Aber jetzt…
…jetzt geht’s los mit Sport. Union wieder mit dem genesenen Jan Glinker im Tor, der (was ich gar nicht wusste) in der Kickernote nur den vorletzten Rang bei den Torhütern einnimmt. Zum Vergleich – der Torwart der Rostocker steht nach den Kickernoten auf Platz 2. Danke für den Hinweis, ehemaliger Fußballexperte. Bist langsam wieder auf dem Weg Deinen alten Ruf wieder herzustellen…

Jedenfalls hielt sich Jan in Rostock einmal mehr schadlos – ebenso wie leider auch sein Gegenüber, der allerdings um einiges mehr Gelegenheit hatte, sich auszuzeichnen. Union war zwar nicht in dem Sinne spielbestimmend (phasenweise schon), hatte aber ein deutliches Chancenplus. Eher in Erinnerung geblieben sind allerdings die Torchancen der Hausherren, als z.B. der (endlich mal wieder) großartige Stuff auf der Linie klärte, oder als in der Nachspielzeit gleich zweimal der Fünfmeterraum der Unioner lichterloh brannte. Demgegenüber stehen ein halbes Dutzend guter Schüsse auf das Rostocker Tor, die aber in der Regeln genau auf den Keeper zielten – plus der Pfostenkopfball von Parensen, der den halben Gästeblock schon in einen Torjubelsprung versetzte. Schade. Wäre ein toller Pogo geworden. Letztendlich blieb es jedoch bei einem 0:0 der besseren Art, welches beide Teams als Sieger hätten verlassen können (Rostock) bzw. vielleicht sogar müssen (Union) – jedenfalls wenn man den betriebenen Aufwand als Maßstab nimmt.
Sei‘s drum. Ohnehon war es ja abseits des Platzes ebenso spannend. Erklären muss mir mal irgendwer den Support der Heimfans. Bis kurz vor der Pause war gar nichts, ab da dann beeindruckend geschlossen, aber doch (für mein Gefühl) mit angezogener Handbremse. Boykott in irgendeiner Art? Hatten wir doch beim Hinspiel schon, ist doch langweilig. Jedenfalls brauchte sich der mit gut 2.000 Berliner gefüllte Gästeblock nichts dergleichen vorzuwerfen, von Anfang bis Ende gab es gute bis sehr gute Unterstützung. Wie weit diese auf den Platz getragen worden ist, ist bei der bedauernswerten Akustik in der Rostocker Arena leider nicht abzuschätzen. Gut gescheppert haben jedenfalls garantiert die beiden Polenböller, von dem der zweite definitiv aus dem Unionblock kam. Vom ersten gibt es ja Gerüchte dass der aus der Rostocker Ecke kam, ebenso wie es Stimmen gibt, dass eine der beiden Raketen aus dem Unionblock kam, wohingegen ich die zweite definitiv von der anderen Seite der Glaswand habe kommen sehen. Also ist es für mich einfach nur logisch dass die beiden Böller von uns und die beiden Raketen von da drüben kamen, was an der Einschätzung aber auch nichts ändert, dass sowohl den Werfern als auch den Zündern gehörig die Fresse poliert gehört. Auf der Straße (oder in halbleeren Blöcken) mag man sowas ja noch grenzwertig finden, weil man die Möglichkeit hat auszuweichen – sowas in engstehende Menschenmengen zu feuern ist hingegen einfach nur gefährlich.
Naja, wozu aufregen. Wir mussten uns nach Spielende noch ne ganze Weile gedulden, bis es dann wieder zurück zu dem ominösen „bewachten Parkplatz“ zurück ging. Als Wache fungierte wohl der Kassierer der angrenzenden Tankstelle, ansonsten war da jedenfalls nichts von irgendner Wache zu sehen. An dieser Stelle noch mal Dank nach Rostock, dass sich der Heimpöbel in der Innenstadt mit Reisebussen und/oder Polizei beschäftigte. Auf dem Hagebaumarkt-Parkplatz hätte man die Zahl der im Besitz befindlichen FCU-Devotionalien bestimmt locker verdreifachen können. Nun, bei uns wären diese Leute ohnehin leer ausgegangen und so machten wir uns dann auf die Heimreise. Auf dieser wurde das Gesehene gewohnt kritisch taxiert und die Fahrt insgesamt als gelungen bewertet. Das RK-Assometer schlug dennoch bis auf 8 aus, was angesichts von Polizeipräsenz, fliegenden Biergläsern, gezielte Raketen und „Jetzt bitte mal fest mit den Schuhen auf den Boden stampfen“-Einlasskontrollen noch recht milde scheint. Rüü bemerkt sehr richtig, dass wir die Assometerskala wohl bis auf 20 hätten erweitern müssen, wenn wir doch unsere Sitzplätze auf der Südtribüne genommen hätten. Habt ihr ja noch mal Schwein gehabt, ihr… ihr… Klippenkotzer!




Eisern!