"Wumsi" in der FAZ:
Mit neuer Leidenschaft Thomas Kalt in Erfurt
Der einstige OFC-Geschäftsführer hat einen neuen Job
FRANKFURT. Anfang März wird Thomas Kalt einen Tag Urlaub nehmen. Dann, wenn sein neuer Verein Rot-Weiß Erfurt in der dritten Fußball-Profiliga bei den Offenbacher Kickers spielt. „Nach 45 Jahren OFC kann ich nicht wie ein Gegner auf den Bieberer Berg zurückkehren“, sagt der Erfurter Geschäftsführer, der am Montag 51 Jahre alt geworden ist. Ein „leidenschaftlicher OFC-Fan“ ist er geblieben – und das, obwohl er sein „Vereinszuhause verloren“ habe. „Es ist eine brutale Erfahrung, mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt zu werden. Die Wunde ist noch nicht geschlossen.“
Im Juli war Kalt nach Querelen mit dem neuen Offenbacher Präsidenten Frank Ruhl als Geschäftsführer überraschend zurückgetreten. Seitdem wird der einst mächtige Mann auf Biebers Höhen mit Vorwürfen konfrontiert. Einer davon lautet, dass seine Nachfolger im kaufmännischen Bereich keine professionellen Strukturen vorgefunden hätten. So wurden laut Ruhl die Finanzbuchhaltung und die Dokumentenverwaltung neu konzipiert. Doch Kalt entgegnet: „Wenn ich neu bin, kommt es vor, dass ich einen anderen Weg gehe – egal, welche Ordner ich in die Hand nehme.“ Und weiter: „Wir haben beim OFC außerdem mit Wirtschaftsprüfern zusammengearbeitet.“
Im Alter von sechs Jahren wurde er Kickers-Anhänger, später war Kalt dann Mitglied des Aufsichtsrats, Vizepräsident und schließlich Geschäftsführer. Das alles über einen Zeitraum von 16 Jahren. Kein Wunder, dass er das Gesicht des Traditionsvereins war und lange als unverzichtbar galt. Bei einem anderen Klub zu arbeiten, konnte er sich nicht vorstellen. Doch nun ist Kalt seiner großen Liebe gezwungenermaßen untreu geworden. Aber nicht, um es den neuen OFC-Verantwortlichen an anderer Stelle zu zeigen. „Der unschöne Abgang hat in mir den Ehrgeiz geweckt, mich so nicht aus der Branche zu verabschieden“, sagt er. Über die nötige Zeit verfügt Kalt. Schließlich betreibt er in den neuen Bundesländern einen Großhandel für Autolacke. Seine Niederlassung in Leipzig erreicht der Unternehmer in gut einer Stunde.
„Ich kann wieder beweisen, dass ich das Geschäft in der dritten Liga ganz gut verstehe“, sagt Kalt. Den Erfurter Klubchef Rolf Rombach und Vizepräsident Detlef Goss kennt er noch aus Offenbacher Zeiten, beide Seiten haben sich in den vergangenen Jahren schätzen gelernt. Auch die Probleme des thüringischen Traditionsvereins, der gegen den Abstieg kämpft, kommen ihm bekannt vor. Seine Aufgabe sei es, „die Lücken, die aus dem klassischen Spieltagsgeschäft entstehen, durch Mehreinnahmen zu decken“, sagt Kalt. Für die kommende Saison hätten die Erfurter eine Etatreduzierung um 500 000 Euro angekündigt. Durch zusätzliche Einnahmen will er „diese Minimierung“ nun so gering wie möglich halten. „Hier kennen die Leute die Probleme wirklich. In der dritten Liga verwalten wir mehr oder weniger den Mangel“, meint er. „In Offenbach hingegen lernt die neue Führung die Schwierigkeiten gerade erst kennen.“ Ein weiteres Projekt ist für Kalt, der in Erfurt Fahrtkostenersatz sowie ein Honorar bei messbarem wirtschaftlichem Erfolg bekommt und sich aus sportlichen Personalfragen heraushält, der geplante Stadionneubau. In Offenbach habe es beim Bau der neuen Arena „eine Explosion der Nebenkosten auf eine Million Euro“ gegeben, „die beim Verein hängen blieb“, so der neue Geschäftsführer. „Jetzt kenne ich alle Tipps und Kniffe.“
Seine „persönliche Tragödie“ sei bei den Kickers der Stadionneubau gewesen. Dort müsse nach dem Einzug des OFC ins Pokal-Viertelfinale das „Gejammer, wie wenig überlebensfähig der Verein ist“, aufhören, fordert Kalt. Jahrelang war er auch Gönner der Offenbacher. Wie viel Geld er noch zurückzubekommen hat, will er aber nicht sagen. Mit seinem Nachfolger David Fischer wird Kalt in den kommenden Wochen sprechen. Mit dem Ziel, die Dinge „seriös und partnerschaftlich“ zu regeln. Am Mittwoch hat Kalt seinen Posten in Erfurt angetreten. „Hochmotiviert“, wie er betont. „Es ist möglich, Leidenschaft für einen anderen Klub zu entwickeln.“ Es gab eine Zeit, in der er das ausgeschlossen hätte.
Jörg Daniels