Du musst dich einloggen oder registrieren um das gesamte Forum (11 weitere Unterforen) zu sehen. So verpasst du eine Menge anderer Themen. Viel Spaß, euer Fussballstammtisch-Team.

AutorThema: Klinsmann wird Ehrenspielführer  (Gelesen 154 mal)

Offline Thomas_ACP

  • Mitglied
  • *
  • Beiträge: 32
Klinsmann wird Ehrenspielführer
« am: 03. November 2016, 16:46:33 »
Für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Die Bierhoff-Löw-Klinsmann-Inzucht schreibt jetzt auch noch Geschichte um. Möchte gerne wissen, was den Flipper dazu qualifiziert. Es ist doch bekannt, daß er gruppenintern immer ein Einzelgänger war. Für mich steht er nicht auf einer Stufe mit Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus. Der nächste wird (zurecht) Lahm sein, aber Klinsmann: Nein! Warum erfolgt die Ehrung eigentlich erst jetzt und nicht unmittelbar nach dem Karrierende?
 [darunter]

Offline Statistiker

  • Stammposter
  • **
  • Beiträge: 2192
  • Nur der OFC!
    • Bieberer Berg
Re: Klinsmann wird Ehrenspielführer
« Antwort #1 am: 03. November 2016, 19:23:51 »
Warum nicht? Er hat 108 Länderspiele gemacht und war Kapitän der Mannschaft, die 1996 die EM gewonnen hat.

Offline Thomas_ACP

  • Mitglied
  • *
  • Beiträge: 32
Re: Klinsmann wird Ehrenspielführer
« Antwort #2 am: 04. November 2016, 16:08:47 »
Die FAZ wundert sich auch und gibt eine Antwort, die plausibel ist. Als Begründung für die Auszeichnung ist mir das aber zu dünn:

von Michael Horeni

Die deutsche Nationalmannschaft hat einen neuen Ehrenspielführer: Jürgen Klinsmann. Das ist eine überraschende Entscheidung. Und eine politische. Schon der Zeitpunkt der Ehrung ist bemerkenswert: Sie kommt mit 18 Jahren Verspätung. Doch der Reihe nach: Ob Walter, Seeler, Beckenbauer oder Matthäus – alle vier Vorgänger des einstigen Torjägers aus dem Schwabenland wurden noch während oder zumindest unmittelbar nach ihren Spielerkarrieren vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu Ehrenspielführern ernannt. Zu stark und mächtig war der Eindruck, den sie auf dem Spielfeld hinterlassen hatten. Da wollte und konnte man beim DFB nicht lange warten. Und so wurde Fritz Walter nur zwei Tage nach dem Wunder von Bern zum ersten deutschen Ehrenspielführer. Uwe Seeler erhielt die Auszeichnung direkt nach seinem letzten von 72 Länderspielen im Herbst 1970. Auch Franz Beckenbauer stieg unmittelbar nach seinem Abschiedsspiel 1982 mit dem HSV gegen die Nationalelf zum Ehrenspielführer auf. Und Lothar Matthäus wurde ein knappes Jahr nach seinem Adieu bei der EM 2000 auf dem folgenden DFB-Bundestag berufen. Nun also Klinsmann – mehr als 18 Jahre nach seinem Abschied als Kapitän und Spieler. Wie ist das möglich?

Diesmal sind es jedenfalls nicht die frischen Spuren eines Spielers, die so stark und mächtig waren, sondern die Schatten des Sommermärchens. Einem einst sportlich und nun sportpolitisch in Bedrängnis geratenen DFB kommt da der blitzsaubere Strahlemann aus den Vereinigten Staaten, der noch immer wie kaum ein anderer für Reformen und Geradlinigkeit im deutschen Fußball steht, mal wieder gerade recht. Angela Merkel erklärte sich bereit, im Theater Erfurt die Würdigung Klinsmanns zu übernehmen. Die Kanzlerin revanchierte sich damit auch für eine Laudatio, die der frühere Bundestrainer für das „Time“-Magazin hielt, das vor zwei Jahren die hundert einflussreichsten Menschen der Welt ausgezeichnet hatte. Klinsmann hatte dabei „beispielhaft auf ihre Unterstützung für uns bei der WM 2006“ abgezielt. Aber auch, wie sie es geschafft hat, „Deutschland wieder zur Nummer eins in Europa zu machen – und mit welcher Stärke, welchem Respekt und welcher Bestimmtheit, aber auch Menschlichkeit sie das getan hat.“

Vor allem aber hat Frau Merkel in jenen Jahren den Mut von Klinsmann geschätzt, wie er es als Bundestrainer mit allen Widerständen und Widrigkeiten aufnahm, wie sie in Erfurt sagte. „Diese zwei Jahre waren prägende Jahre, bis heute“, sagte die Bundeskanzlerin. „Ihm war als Bundestrainer etwas ganz Großes gelungen: Jürgen Klinsmann hatte ein ganz neues Kapitel in der deutschen Fußballgeschichte aufgeschlagen. Sie und die ganze Nationalmannschaft haben die Deutschen nicht nur als Fußballnation, sondern als Nation insgesamt mitgerissen. Diese Erfahrung verbindet sich mit Ihrem Namen. Darin liegt weit über die sportliche Leistung hinaus die besondere Anerkennung begründet, die Sie genießen und die Sie verdienen.“ Ein sichtlich bewegter Klinsmann, der zudem mit stehendem Applaus geehrt wurde, entgegnete, dass er die Bundeskanzlerin am liebsten „mit nach Amerika“ nehmen wollte – nicht zuletzt mit Blick auf die Wahl in der kommenden Woche.

Natürlich drängt sich angesichts der Ehrung in Erfurt die Frage auf, weshalb Klinsmann die Ehrenspielführerschaft – wenn schon mit Verspätung – nicht wenigstens nach dem Sommermärchen angetragen wurde, an dem er als Bundestrainer einen so schönen Anteil hatte? In jener Zeit also, als Franz Beckenbauer und seine Helfer über den deutschen Fußball herrschten. Und die einfache Antwort lautet: genau deswegen. Klinsmann war zwar nach der WM 2006 ein gefeierter Fußball-Revolutionär. Er begeisterte die Deutschen von den Fans in den Kurven über Manager in Vorständen bis hin zur ersten Frau im Kanzleramt. Und Klinsmann schuf in jenen Tagen tatsächlich nicht weniger als die Grundlage zur Erneuerung des deutschen Fußballs – und legte auch den Grundstein für den erfolgreichen Weg der Nationalmannschaft bis hin zum WM-Gewinn in Brasilien.

Im deutschen Fußball-Establishment des Kaiserreichs jedoch blieb Klinsmann gleichwohl ein Außenseiter, wenngleich ein erfolgreicher. Beckenbauer wäre es nach der WM 2006 jedenfalls nie in den Sinn gekommen, seinem ehemaligen Spieler, der so ganz anders war als er selbst, einen noch größeren Platz in der deutschen Sommermärchen-Saga einzuräumen. Der Kaiser hatte ja schon nichts dagegen gehabt, wenn Klinsmann noch kurz vor der WM gestürzt worden wäre, was dem Umstrittenen nach einer 1:4-Niederlage in Italien wenige Monate vor dem Start tatsächlich blühte. Und dass Deutschland in jenem Sommer nicht den Titel gewann – und der Kaiser damit im alleinigen Besitz und Vorteils des Weltmeister-Doubles als Spieler und Trainer blieb –, wurde im Beckenbauer-Tross auch mit einer gewissen Erleichterung registriert. Beckenbauer und Klinsmann – sie waren bei der WM 2006 auch Konkurrenten gewesen, manchmal sogar Gegner.

Ohne die Spätfolgen des Sommermärchens ist die Ehrung für Klinsmann im Herbst 2016 jedenfalls nicht zu erklären. Die Erhöhung Klinsmanns kontrastiert in diesen Tagen scharf mit dem Fall der Lichtgestalt. Es sind schließlich Beckenbauers Verwicklungen und sein ewiges Verschweigen, die auch den DFB in ein trübes Licht gerückt haben. An Aufklärung der seit über einem Jahr im Kern ungeklärten Fragen rund um die WM 2006 ist Beckenbauer nicht gelegen. Der Kaiser, der alles weiß, schweigt eisern. Und es gibt niemanden, der ihn im DFB zum Reden zwingen könnte. Und nur wenige im DFB, die ihn auch zwingen würden. Ähnlich wie bei Helmut Kohl, der als Ehrenvorsitzender der CDU auch kein Wort über die Parteispender über die Lippen brachte.

Die Verleihung der Ehrenspielführer-Würde an den früheren Schwabenpfeil verschafft damit DFB-Präsident Reinhard Grindel, dessen erstaunlicher Aufstieg ohne die dunklen Seiten des Sommermärchens nicht möglich gewesen wäre, eine wunderbare Gelegenheit, sich elegant von Beckenbauer und der alten Fußballfamilie zu distanzieren – ohne der alten Garde dabei zu sehr auf die Füße zu treten. Denn von den ganzen Machenschaften will auch Grindel, der den DFB-Posten vom einstigen Beckenbauer-Freund Wolfgang Niersbach übernahm (und dessen Bürochef zum Generalsekretär machte) nicht mehr wissen, als ein scheinbar unabhängiger und sündhaft teurer Gefälligkeitsbericht gerade so hervorgebracht hat. Am Tag nach dem Festakt soll Grindel an diesem Freitag von den Delegierten für zwei Jahre im Amt bestätigt werden.

Tatsache ist allerdings auch, dass Klinsmann, der seinen Job als Bundestrainer unter dem Motto angetreten hatte, dass man beim DFB jeden Stein umdrehen müsse, genau an jenem Verband scheiterte, der ihn nun nachträglich zum Ehrenspielführer ernennt. Es war der DFB mitsamt den vielen Beckenbauer-Helfern im Hintergrund gewesen, die damals Matthias Sammer zum DFB-Sportdirektor machten, um den Klinsmann-Kandidaten Bernhard Peters zu verhindern. Ein Moment, der dem Reformer von damals noch mal klarmachte, dass seine Zukunft nicht beim DFB liegen würde. Ironie der Fußball-Geschichte: Dabei wäre ein Klinsmann-Typ und mit dem Klinsmann-Motto (jeden Stein beim DFB umdrehen) jetzt genau der oder die Richtige an der Spitze des Verbandes, um die langen Schatten des Sommermärchens zu vertreiben.