Die Anjas und Tanjas haben mehr Ahnung. ![... [dummdidum]](http://www.ofcfans.de/stammtisch/Smileys/default/dumdidum.gif)
Vor kurzem habe ich mal einen interessanten Beitrag über Tippspiele bzw. Sportwetten gelesen. Ausgangsthese war, dass völlig ahnungslose Tipper richtiger liegen als "Experten". Der dazu befragte - ich weiß es nicht mehr genau, ein Statistiker wäre naheliegend - verneinte zunächst einmal die These; beide Gruppen sowohl "voll im Thema" als auch "keine Ahnung" lägen mehr oder weniger gleichauf. Doch führte er die Fehlerquote derer, die "schwer Plan von ..." haben, darauf zurück, dass Personen mit tatsächlichem oder vermeintlichem Wissensvorsprung dazu tendieren würden, sich selbst zu überschätzen. Diese selbsterzeugten Irrtümer würden den Wissensvorsprung ausgleichen.
Ich bin kein Psychologe und kein Statistiker, daher kann ich dies nicht bestätigen oder verneinen. Es geht mir auch gar nicht darum, hier andere bloßzustellen. Weil hier doch eben sehr viele, inzwischen eigentlich alle, Interesse am Fußball und auch ein gewisses Maß an Kompetenz haben. Das ist auch einer der Gründe, warum ich auch nach Jahren noch gern hier schreibe.
Und trotzdem passieren auch uns Fehleinschätzungen und Irrtümer. Niemand ist davor sicher.
In den Tagen nach dem Halbfinalsieg über Brasilien empfand ich übrigens eine andere Klientel als sehr viel penetranter: Die Rechthaber und "es-immer-schon-gesagt"-Haber. Es ist sehr einfach, sich nach einem Kantersieg in einem Halbfinale auf die stärkere Seite zu begeben und die anderen zu dissen. Dazu möchte ich ein kurzes Gedicht von Eugen Roth zitieren:
Der SaltoEin Mensch betrachtete einst näher
die Fabel von dem Pharisäer,
der Gott gedankt voll Heuchelei
dafür, dass er kein Zöllner sei.
Gottlob! rief er in eitlem Sinn,
dass ich kein Pharisäer bin!
Andererseits machen es einem manche - ja, eben nicht Kritiker, dafür echte Basher - wirklich schwer, sie irgendwie ernst zu nehmen. Etwa jene, die Ihre Stellung im Turnier von mal zu mal verlegen mussten (Vorrundenaus, Achtelfinalaus, "beim ersten richtigen Gegner" und so weiter) und jetzt einen sicheren Rückzugsort aufgesucht haben: "Ihr werdet es bei der EM 2016 alle sehen!"
Wir alle mussten bei dieser WM, wenn wir sie verfolgt haben, mit kognitiven Dissonanzen leben (auch jene, die keine Ahnung haben, was das bedeutet

), natürlich auch ich. Mir ist etwa bewusst, dass die FIFA Gewinne einstreicht und die Kosten der Infrastruktur dem Gastgeberland überlässt. Das sie an den Turnierorten wie eine Besatzungsmacht auftritt. Proteste marginalisiert, Hauereien etwa zwischen Argentiniern und Brasilianern einfach verschwiegen werden, um ein Bild nicht zu beschädigen. Und doch hat diese WM auf mich einen starken Sog ausgeübt, ich habe sie mit Spannung und Interesse verfolgt, vom Auftaktspiel bis hin zum Finale. Und dabei habe ich mich mit der DFB-Auswahl gefreut und ihnen stets das Weiterkommen gewünscht.
Auch ich muss ja mit eigenen Inkonsequenzen und Widersprüchen leben. Vielleicht fällt es sogar noch schwerer, als jenen, die Löw als Versager bezeichneten, und dann erleben mussten, wie der von ihnen geschmähte und verspottete Trainer den Titel gewann.