Zumindest für mich ist es dennoch ein Unterschied, ob ich gegen einen nun als GmbH firmierenden alten Verein spiele, gegen den es schon seit Generationen Duelle gab.
Oder gegen ein sich als "richtiger Verein" ausgebendes Werbeprojekt (RB) kicke.
Mich persönlich interessiert in diesem Zusammenhang überhaupt nicht, ob ein Verein materielle/finanzielle Ziele verfolgt (das tun sie ja wirklich alle), sondern wie es um die Historie eines Vereins bestellt ist.
Ich schmökere gerne in alten Büchern, interessiere mich für die Geschichte, Geschichten, Namen und Tabellen der Vereine und da ist es zwangsläufig so, dass ich immer eine engere Bindung zu Vereinen habe, die diese bedeutungsvolle Schwere mitbringen.
Natürlich wird jetzt wieder das Argument kommen, dass auch ein 1.FC Nürnberg anno 1920 kein Traditionsverein war und dass der 1.FC Köln als Retortenclub nach dem 2. WK die Vorkriegs-Traditionsvereine verdrängt hat. Aber mich interessiert heute nicht, ob RBL vielleicht in 70 Jahren als Traditionsverein gilt.
Und dieses Plastik-Image haben selbst Bayer Leverkusen in 35 Jahren Bundesliga (mit einem internationalen Titel) und der VfL Wolfsburg in 17 Jahren Bundesliga (mit einer Meisterschaft) nicht wegbekommen.
Wenn ich mir anschaue, wer grade alles unten in der BL rumkrebst, dann befinden wir uns in einer Phase des Umbruchs. Nicht nur weil es u.a. mein VfB ist, sondern auch mit dem 1.FC Nürnberg und dem HSV sind 2 "Große" auf der Kippe. Lautern nicht mehr hochkommt, Köln und Frankfurt fast schon Fahrstuhlmannschaften sind.
In der Bundesliga spielen dann bald eben die Leverkusens, Wolfsburgs, Hoffenheims, Paderborns, RedBulls, Ingolstadts usw. - und da fehlen mir dann eben die Spiele, bei denen ganze Regionen hoffen und bangen. Vereine, bei denen Erfolge und Spieler früherer Tage Ansporn und Last zugleich sind.
Das Trikot tragen zu dürfen, das schon ganz Große getragen haben. Das Emblem zu sehen, das schon vor Jahrzehnten die Brust früherer Helden zierte. -
Das alles wird dem Fußball dann fehlen.
Dieser kollektive Ausnahmezustand im Positiven wie im Negativen - Das Bibbern, Jammern, Kämpfen, Leiden, Freuen, Jubeln von Generationen - macht für mich das aus, was ich am Fußball liebe. Und nicht die Firmierung.
Alle Vereine haben sich aber selbst in diese Position befördert, in der sie jetzt sind. Kaiserslautern existiert nur noch durch Gutdünken und Geklüngel regionaler Politik, da der ganze Laden unter normalen Umständen schon gar nicht mehr laufen würde und liegt dem ganzen Land RLP auf der Tasche.
Die anderen Vereine sind halt alle Opfer ihrer jeweiligen Vereinsführungen geworden, in denen dann jeder mal mit rumpfuschen durfte, was dann halt in solchen "Fahrstuhlsituationen" endet, oder wie halt bei Aachen, Offenbach, Saarbrücken etc. in der Insolvenz oder 4. Liga.
Diese "regionale Verbundenheit" sehe ich auch nicht mehr in der Form gegeben, was mehrere Gründe hat. Zum einen werden die Großstädte halt zunehmend eher durch Hin-und-Wegziehen geprägt, zum anderen gibt es nur noch sehr wenige Spieler, die wirklich mit einem Verein verbunden sind, dort alle möglichen Stationen durchlaufen und am Ende halt auch mal eine Zeit von 10+ Jahren bei "ihrem" Verein bleiben. Da finden allein schon im Jugendbereich genügend Wechsel statt, um eine solche Vereinsbindung gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Genau das ist auch der Grund, warum es mir mittlerweile egal ist, welcher Verein jetzt mit welcher Tradition in welcher Liga spielt. Die Spieler gehen da hin, wo das meiste Geld zu finden ist, die Vereine gliedern alles mögliche in GmbHs und sonstige Gesellschaften aus und verkaufen ihre Stadionnamen (vor ein paar Jahren noch ein Aufschrei im Traditionsgebälk, mittlerweile scheißegal).
Was gerade passiert ist das, wofür genau die Traditionsvereine den Weg bereitet haben. Man wollte Wirtschaftsleute in den Vorständen, man wollte Spieler als Angestellte, man wollte Haftungsbeschränkungen, man wollte genau die Vorteile, die auch andere Unternehmen haben. Dann brauchte man mehr Geld und man verkaufte halt den Stadionnamen, die Preisschraube wird ständig nach oben gedreht und irgendwann werden auch neue Werbeflächen auf den Trikots Einzug in den deutschen Fußball halten.
Alles abgesegnet und unterstützt durch DFL/DFB und alle anderen Verbände, die ja auch Ligasponsoren, Pokalsponsoren etc. mit in's Boot holen.
Schau dir doch mal die ganzen Leute an, die bei Bayen im Aufsichtsrat sitzen. Alles Verantwortliche von Adidas, Telekom, Audi, VW.
Mit allen diesen Produkten (Sportartikel, Telekommunikationsdienste, Fahrzeuge etc.) könnte ich also potentiell den FC Bayern unterstützen, ob mir das gefällt oder nicht, ob ich das möchte oder nicht, einfach weil es halt durch die ganzen Verstrickungen so ist.
Die meisten Profivereine scheißen mittlerweile auf ihre Fans, würden kritische Stimmen gerne aus dem Stadion haben und durch Klatschpappen und reine Merchandise-Käufer ersetzen. Wo soll denn da bitte noch die Leidenschaft herkommen, eine GmbH noch bedingungslos zu unterstützen? Nur weil vor Jahren mal Leute, die wir nicht mal haben spielen sehen, jahrelang für denselben Verein gespielt haben?
Fußball ist spätestens ab Liga 4 ein Geschäft, "Vereine" sind die Anbieter von Dienstleistungen, Veranstaltungen, Events oder wie auch immer man das bezeichnen will, was im Stadion stattfindet.
Jetzt kommen halt neue Dienstleister hinzu, die halt nicht ihr Geld in vorhandene Strukturen stecken wollen, sondern sich auf eigene Faust einen Anbieter ihrer Dienstleistungen zusammenstellen möchten. Wo ist da das eigentliche Problem?
Mir ist Red Bull Leipzig auch nicht wirklich sympathisch, aber ich sehe nicht, wo aufgrund anderer Mitgliedsbeiträge oder der Vereinssatzung noch irgendwo im Profifußball ein Umbruch stattfinden würde.
Ist es schlimmer, wenn Red Bull keine Mitglieder im Verein haben möchte, oder wenn Uli Hoeneß den Mitgliedern und Fans über's Maul fährt, ihnen ihren Platz in seiner Weltordnung erklärt (hinter den VIP-Logenbesitzern und den Sponsorenfreunden) und trotzdem auf sie einen großen Haufen scheißt?