Abschiedsbrief von "Wonti" an Udo Lattek
„Lieber Udo,
dieser Sonntag wird für mich kein schöner sein. Denn es ist der erste in meinem Leben, an dem Du nicht mehr da bist.
Und irgendwie bin ich ganz froh, dass ich heute unseren Doppelpass mal nicht moderieren werde. Eine Sendung ohne Dich im Studio oder ohne zu wissen, dass Du vorm Fernseher voller Leidenschaft zuschaust – das ist ein Gedanke, an den ich mich erst einmal gewöhnen muss.
Über 7 Jahre waren wir kongeniale Partner. Jeden Sonntag hast Du mich mitgenommen ins Innenleben der Bundesliga, das Du kanntest wie kein anderer.
Udo, Du warst für mich viel mehr als ein Experte. Du warst für mich mehr als eine Trainer-Legende. Für mich warst Du ein Freund, ein väterlicher Freund! Und das wirst Du auch immer bleiben.Versprochen!
Ich erinnere mich noch genau an unsere ersten Doppelpass-Sendungen. Wir kannten uns zwar schon seit Jahrzehnten aus der Fußball-Welt, aber die neue Konstellation war dann doch eine besondere: Du der Experte, ich der Moderator – wir waren plötzlich ein Team. Aber wir waren eben auch echte Dickköpfe. So wie wir Jungs mit ostpreußischen Wurzeln manchmal sind.
Am Anfang haben wir uns argwöhnisch beäugt wie zwei Wölfe, die es auf dieselbe Beute abgesehen haben – bis wir merkten, dass man diese Beute auch teilen kann.
Ganz ehrlich, Udo, Du hast polarisiert wie kaum ein anderer, aber das war Dir egal. Denn „Everybody’s Darling“ wolltest Du nie sein. Sondern ein Mensch mit Rückgrat. Dafür habe ich Dich geliebt!
Wenn es um die Wahrheit ging, dann hast Du selbst alte Weggefährten nicht geschont. Uli Hoeneß, Gerhard Mayer-Vorfelder – in der Sendung haben sich alle Großen des Fußballs mal eine verbale Watschn von Dir abgeholt. Du hast Dich nie verbiegen lassen. Niemals! Selbst wenn dadurch im Extremfall eine Freundschaft auf den Prüfstand kam, hast Du eine klare Meinung gehabt und Dich nie beirren lassen. Du warst ein Kumpel, dem Kumpanei zuwider war. Das hat Dich einzigartig gemacht.
Wenn in der Sendung mal eine Diskussion verflachte oder in die falsche Richtung ging, hast Du mir ein kleines Zeichen gegeben. Du hast den Zeigefinger Deiner linken Hand, die stets auf der Stuhllehne ruhte, ganz leicht angehoben. Ich habe es im Augenwinkel gesehen – und ich wusste: Jetzt spielen wir zwei gleich unseren persönlichen Doppelpass. Ich werde Dir eine Frage stellen, und Du wirst es danach in der Runde krachen lassen...
Deine andere Seite, die nur wenige kennen. Der sensible Mann mit dem großen Herzen. Nie werde ich vergessen, wie Du mir in einer stillen Stunde über den Tod Deines Sohnes erzählt hast, und wie sehr Dir die Trauerarbeit über Jahrzehnte zugesetzt hat.
Und immer werde ich Dir dafür dankbar sein, wie Du die Hand schützend über mich gehalten hast. Du weißt schon: meine Assauer-Schelte. Ohne Deinen persönlichen Einsatz wäre mir mein Blackout beruflich zum Verhängnis geworden.
Du warst ein Poltergeist, in dem eine verdammt verletzliche Seele wohnte. Raue Schale, weicher Kern. Für diesen Satz hättest Du zwar gnadenlos die Einzahlung ins Phrasenschwein gefordert, aber dieser Satz erklärt Dich nun mal am besten.
Und nun marschiere los und mische die da oben im Himmel auf. Mach’s gut, mein väterlicher Freund!
Dein Wonti“