Aus Gründen die eventuell auch hier noch näher geklärt werden (und ansonsten völlig irrelevant sind), gibt es erst jetzt nen Abschlussbericht vom Wochenende in Bayern. Dankenswerterweise noch sehr gut erinnern konnte sich... Holger (Eiserner Messias) :)
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Das letzte Spiel der Saison 2009/10 sollte den 1.FC Union nach München führen. Knapp 600km waren hierfür zurückzulegen, für ein Spiel, in dem es im besten Fall nur noch um die goldene Ananas ging. Wir hatten den Abstieg bereits verhindert, die Löwen hatten sich im trostlosen Mittelfeld eingependelt. Kein Grund, sich nicht auf dieses Spiel zu freuen, dachten sich neben meiner Wenigkeit inklusive der illustren Bielefeld-Reisegruppe um den Fürsten von Lichtenberg und dem unverwüstlichen Newcastle-Ale-Killer Siggikowsky auch gut 3000 weitere Unioner und machten sich auf die lange Reise. Vermutlich aus reiner Dankbarkeit darüber, dass man noch vor wenigen Jahren auswärts auf dem Sportplatz Ringpromenade in Falkensee-Finkenkrug aufkreuzen musste und nun eine Arena der Weltmeisterschaft 2006 ihre Pforten für uns öffnet. Und weil Unioner eben nun einmal bekloppt sind.
Auf eine ebenso lange Reise musste sich derweil einer der exilsten aller Exil-Unioner einstellen - aus dem schönen Magyaroszág machte sich Andres, der im Gegensatz zu seiner Tochter sehr gerne noch eine Rolle in meinem Leben spielen darf, morgens um 6 auf die Reise, um pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt vor der Arroganz-Arena erscheinen zu können. Dufte Aktion. Während er die gut sechs Stunden am Stück abgespulten 500 Autobahnkilometer offensichtlich locker aus den Knochen schütteln konnte, kroch die Berlin-Leipziger-Reisegruppe nahezu auf allen Vieren. Das eine Bier, welches auf dem Fußweg von der U-Bahn zum Stadion genommen wurde, zog wie Blei an den Füßen und weckte abgespeichertes Promillepotential vom Vorabend. Mein lieber Herr Gesangsverein, was war das für ein genialer Ausflug nach Erding gewesen, bitteschön? Der Capitano Bönig hatte alle (Exil-)Unioner in sein Ballhaus geladen und gut 700 Mann waren dieser Einladung gefolgt, höchst erfreut darüber, dass die angrenzende weltbekannte Erdinger Weißbierbrauerei eine Pipeline über die Straße gelegt hatte. Und so konzentrierten sich viele der anwesenden Gäste auf das Wesentliche: Mit anderen Unionern fachsimpeln und dabei kräftig einen heben. Wir taten es ihnen gleich, ohne dabei jedoch den Blick für die wirklich schönen Dinge des Lebens zu verlieren und genossen einen wunderschönen Sonnenuntergang auf dem Erdinger Rapsfeld, weil wir uns intellektuell-kulturell eben doch von dem Pöbel abheben. Oder weil wir zufälligerweise im richtigen Moment pinkeln gehen mussten.
Als unglaublich durchdacht erwies sich dann auch die Entscheidung, sich gegen 22.30 Uhr noch einmal selbst aktiv sportlich zu betätigen. Schon auf dem Nachhauseweg befindlich überfiel uns dann doch die Neugierde und wir enterten erstmalig Bönis Hallenground. Der Platz komplett leer, ein Spielball liegt parat und schon juckt’s in den Füßen. Fußball ist ein Ergebnissport, sagen die, die Ärger mit Udo Lattek kriegen wollen und zuviel Geld für’s Phrasenschwein über haben. Daher abschließend fürs Protokoll das Ergebnis unserer Knödelei: Eine verlorene Brille, ein verstauchtes Handgelenk, ein kaputter Fuß und ein frustrierter Mittelfeldrastelli, dem es promillisiert einfach nicht gelingen wollte, den Ball vernünftig hochzuhalten.
Nun stehen wir also zu viert vor der Arena in München und staunen. Ein riesiges Schlauchboot, das irgendwo zwischen mehreren Autobahnen auf eine Wiese gestellt wurde, fungiert hier als Fußballstadion. Schön, dass das Wetter gut ist und wir uns die Sonne auf den Bauch scheinen lassen können. Schade, dass das Wetter so gut ist und die Sonne scheint, wir hätten das Schlauchboot gerne beleuchtet gesehen. Blau-Weiß, Rot-Weiß, blinkend - ganz egal, Hauptsache beleuchtet. Kommen wir eben in der nächsten Saison noch mal wieder, dann bitte im Winter.
Trotzdem ist man sich im Groben erst einmal einig. Von außen macht das Teil schon etwas her und überzeugt durch seine Individualität. Stadien vom Architekten-Reißbrett gibt es wahrlich genug in Deutschland, hier im snobistischen München, in dem es sogar “Rasen betreten verboten“-Schilder gibt, wo weit und breit gar kein Rasen zu sehen ist, entstand ein schöner Gegenentwurf zur gängigen Stadionbaupraxis. Beim Betreten der Schüssel wird das Staunen nur noch größer, die drei Ränge und die kompakte Bauweise mit den steilen Rängen ist schon imposant. Je näher der Anpfiff rückt, desto trostloser wirkt dieser überdimensionierte Protzbau, der von den Löwenfans nicht einmal zu einem Drittel gefüllt werden kann und überhaupt nicht zu dem Arbeiterverein aus Giesing passen mag. Wer auch nur annähernd über ein wenig Empathie verfügt, der stellt schnell fest, dass diese Arena auf längere Sicht das Todesurteil für den TSV 1860 München sein wird. Dieses Stadion passt zu diesem Verein in etwa wie ein Maserati zur Treberhilfe, nämlich eher suboptimal. Von daher kann es nur eine conclusio geben: Pro Grünwalder Stadion!
Während des Spiels ist auch von der nicht einmal komplett ausverkauften Stehplatzheimtribüne kaum etwas zu hören. Der 58,59,60-Fanblock rechts neben uns überzeugt auch nicht gerade durch Stimmgewalt, nervt aber durch monotones dumpfes Rumgetrommel. Wir haben das Stadion fest in unserer Hand, obwohl viele doch noch arg vom gestrigen Exiler-Treffen in Mitleidenschaft gezogen wirken. Der Wechselgesang vom Unter- in den Oberrang klappt nur bedingt, aber die vielen roten Flecken auf den beiden Haupttribünen und sogar in einer VIP-Loge zauberten einem schon ein Lächeln ins Gesicht, welches bei der Betrachtung der Fotos des Gästeblocks im Nachklang des Spiels noch viel größer wurde. Man, sah das geil aus. Absolute Gänsehaut.
Absolut keine Gänsehaut verursachte hingegen das Spiel unserer Lieblinge, die die rot-weißen Farben eher lustlos über das satte grün hin- und herschleppten. Das Ganze verkam in den ersten fünfundvierzig Minuten doch ein wenig zu arg zu einer Abschiedsgeschenk-Nummer der Marke Sommerfußball für Gebhardt und Bemben. Engagement, Lauffreude, Aktivität, Spielwitz und Lust blieben auf der Strecke und so konnte man von Glück reden, dass die 60’er lediglich mit einer 1:0 Führung in die Kabinen gehen konnten. Die positive Stimmung im Gästeblock wurde allerdings auch durch das eher uninspirierte Ballquergeschiebe unserer Fußballgötter nicht getrübt, trotzdem schön, dass die Jungs in der zweiten Halbzeit dann doch noch einmal andeuteten, dass sie Fußballspielen können. So wurden die Münchener ordentlich unter Druck gesetzt, doch ein Ausgleich wollte nicht gelingen. Beziehungsweise wurde dieser dann in der 78. Minute leichtfertig hergeschenkt, als Mattuschka auf die Ausführung eines Strafstoßes zu Gunsten des ebenfalls auf Abschiedstournee befindlichen Dogan verzichtete, welcher den Elfmeter natürlich prompt vergab. Und so wie der geschossen war, hätte den auch unserer Torwart von gestern Abend noch mit 2,4 * im Turm aus dem Eck gefischt, im Zweifelsfalle auch mit einem gezielten Bierbecherwurf, um die Schussbahn des Kullerballs vorteilhaft zu korrigieren.
Bei aller Liebe und bei aller “wir sind nur zum Feiern hier”-Mentalität, den Torpogo hätte uns Herr Mattuschka schon gönnen können. Die zweite Bundesliga ist kein Kindergeburtstag und auch Kameradschaftlichkeit hat ihre Grenzen. Das Abschiedsgeschenk hatte sich Dogan schon gegen Bielefeld durch seinen sehenswerten Freistoß selbst gemacht, den Elfmeter hätte es meiner Meinung nach nicht zusätzlich gebraucht. Sei’s wie es sei…
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Nachdem sich Micha Bemben sein Abschiedsgeschenk in Form einer gelb-roten Karte besorgt hatte, fiel logisch konsequent noch das 2:0 und alle Messen waren gelesen. Abpfiff, Sommerpause, mindestens 98 Tage ohne Auswärtsfahren, bittere Zeitspanne, gefüllt mit WM-Methadon. Und vielleicht mit einem Fanchant mit Ohrwurmcharakter, sollte Tusche für Ballack nachnominiert werden: Torsten Mattuuuschka, du bist der beste Mann, Torsten Mattuuuschka, du kannst was keiner kann, Torsten Mattuuuschka, elegant fürs Vaterlaaaaaaaaaand *). In diesem Sinne: Eisern Union!
*) Gelesen (und für toll befunden) bei
textilvergehen.deHolger



Eisern!