Peter Neururer über die 2. Liga
"Wir haben ein Problem mit Kriminellen"
Er kennt die 2. Bundesliga wie kaum ein anderer. Rund 350 Spiele hat Peter Neururer als Trainer in dieser Spielklasse erlebt. Nun verfolgt er den Saisonstart am Wochenende als Fernsehexperte. Im n-tv.de-Interview erzählt der 62-Jährige, welchen Vereinen er den Aufstieg zutraut, welche Traditionsvereine lediglich um den Klassenerhalt spielen und wie er den Hype um junge Trainer beurteilt.
n-tv.de: Herr Neururer, die 2. Bundesliga steht in den Startlöchern. Welche Mannschaften sind für Sie die Aufstiegsfavoriten?
Peter Neururer: Die Saison wird ausgeglichener als die vergangene Spielzeit. Damals waren die Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart und Hannover 96 aufgrund der finanziellen Möglichkeiten als Aufsteiger gesetzt. Diese Saison birgt eine große Chance für alle etablierten Vereine, die schon lange das Ziel Bundesliga vor Augen haben. Damit meine ich den VfL Bochum, den FC St. Pauli, Union Berlin und Eintracht Braunschweig.
Den Absteigern FC Ingolstadt und SV Darmstadt 98 trauen Sie den direkten Wiederaufstieg also nicht zu?
Aufstieg für Ismail Atalan: Er trainiert nun den Zweitligisten VfL Bochum.
Aufstieg für Ismail Atalan: Er trainiert nun den Zweitligisten VfL Bochum.
(Foto: imago/Team 2)
Sie zählen nicht zu den Favoriten. Beide Mannschaften werden eine gewisse Zeit brauchen, um sich wieder an die 2. Bundesliga zu gewöhnen. Ich sehe beide Mannschaften eher im Mittelmaß, bestenfalls im gehobenen Mittelmaß.
Ihr Ex-Verein VfL Bochum hat für ordentlich Schlagzeilen gesorgt, als Trainer Gertjan Verbeek gut zwei Wochen vor dem Saisonstart entlassen wurde. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ich weiß, dass das Verhältnis zwischen den Spielern und dem Trainer nicht ideal war. Trotzdem war der Zeitpunkt der Beurlaubung eine Katastrophe. Der neue Trainer Ismail Atalan kann kaum Einfluss auf die Mannschaft nehmen. Die Transfers waren bereits getätigt. In Bochum muss irgendetwas vorgefallen sein, was die Öffentlichkeit nicht weiß. Ansonsten würde man nicht kurz vor dem Saisonstart einen Trainerwechsel vornehmen.
Der FC St. Pauli hat in der vergangenen Saison immer an Trainer Ewald Lienen festgehalten, obwohl der Abstieg teilweise unausweichlich schien. Nach der stärksten Rückrunde der Vereinsgeschichte erfolgte der Entschluss, Lienen zum Technischen Direktor zu ernennen und Co-Trainer Olaf Janßen zum Cheftrainer zu befördern. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Dass der Verein immer an Lienen festgehalten hat, spricht für die hervorragende Führung. Er war der richtige Trainer, um den Verein in der Klasse zu halten. Als Direktor wird er weiterhin einen positiven Einfluss auf den Verein nehmen. Vom Potenzial gehört St. Pauli ganz nach oben.
Nicht nur Wasserträger: Jens Keller hat den FC Union Berlin gut im Griff.
Nicht nur Wasserträger: Jens Keller hat den FC Union Berlin gut im Griff.
(Foto: imago/Matthias Koch)
Und selbiges trifft auf Union Berlin zu?
Absolut. Der Verein ist gewachsen, hat eine gute Führung und in Jens Keller einen sehr kompetenten Trainer. Er hatte bereits auf Schalke bewiesen, dass er ein guter Mann ist. Mit ihrer Struktur, mit ihren Möglichkeiten und den tollen Fans zählt Union zu den Aufstiegsfavoriten.
Sie haben auch Eintracht Braunschweig als Aufstiegsanwärter genannt. Oft bekamen Mannschaften, die in der Aufstiegsrelegation gescheitert sind, in den Folgejahren Probleme. Der in die Drittklassigkeit abgerutschte Karlsruher SC ist das beste Beispiel. Warum wird es Braunschweig besser ergehen?
Vereine wie Karlsruhe sind aufgrund von falschen Zielsetzungen und Motivationproblemen gescheitert. Diese Gefahr sehe ich in Braunschweig nicht. Manager Marc Arnold glänzt durch Fachkompetenz und ein hervorragendes Auftreten. Auch Trainer Torsten Lieberknecht macht seit Jahren einen hervorragenden Job.
Auch Fortuna Düsseldorf möchte diese Saison um den Aufstieg mitspielen. Ist das realistisch?
Düsseldorf hat durchaus Chancen. Aber die Mannschaft muss mehr Torgefahr ausstrahlen. Ein Rouwen Hennings alleine genügt nicht.
Beim 1. FC Kaiserslautern ging die Entwicklung zuletzt stark nach unten. Sehen Sie die Chance auf eine Kehrtwende?
Vom Namen her müsste der Verein oben mitspielen. Trotzdem wäre es ein riesiger Fehler ein anderes Ziel als den Klassenerhalt auszugeben. Damit täte man Trainer Norbert Meier keinen Gefallen. Man sollte nicht nur zu 100 Prozent zum Verein, sondern auch zu 100 Prozent zur Mannschaft stehen. Und ganz ehrlich: Diese Mannschaft ist zu mehr als dem Klassenerhalt nicht in der Lage - völlig unabhängig davon, wer auf der Trainerbank sitzt.
Warum ist das so?
Der Verein hat einfach kein Geld. Warum das so ist, weiß ich nicht. Man sollte nachfragen, was unter der Leitung von Stefan Kuntz schief gelaufen ist.
Wie schätzen Sie die drei Aufsteiger MSV Duisburg, Holstein Kiel und SSV Jahn Regensburg ein?
Auch für diese drei Vereine wird es nur um den Klassenerhalt gehen. Damit stehen sie nicht alleine da. Sechs oder sieben Mannschaften werden mit um den Aufstieg spielen, alle anderen gegen den Abstieg. Es wird kein großes, kompaktes Mittelfeld geben.
Beim Relegationsspiel zwischen 1860 München und Jahn Regensburg gab es heftige Ausschreitungen.
Beim Relegationsspiel zwischen 1860 München und Jahn Regensburg gab es heftige Ausschreitungen.
(Foto: imago/MIS)
SSV Jahn Regensburg stieg in der Relegation gegen den TSV 1860 München auf. Das Spiel wurde von schlimmen Krawallen überschattet. Hat der Fußball ein Fan-Problem?
Nein, wir haben überhaupt kein Fan-Problem. Wir haben ein Problem mit Kriminellen, die sich hinter Fans und Ultras verstecken. Das ist kein Problem des Fußballs, sondern ein gesellschaftliches Problem. Die Vorfälle um den G20-Gipfel in Hamburg haben das gezeigt. Die Vereine versuchen alles, können das Problem aber nicht alleine lösen.
Sie sind als Fernsehexperte tätig, haben zudem kürzlich ein Trainingslager für arbeitslose Fußballprofis abgehalten. Seit Dezember 2014, als der VfL Bochum Sie freigestellt hat, waren Sie nicht mehr im Vereinsfußball tätig. Würden Sie gerne wieder eine Profimannschaft übernehmen?
Ich wäre bereit, wenn ein attraktives Angebot aus der 1., der 2. Liga oder dem Ausland kommt. Es muss alles passen. Es gab in der Vergangenheit bereits einige Angebote, die nicht meinen Vorstellungen entsprachen. Ich habe mir glücklicherweise die Position erarbeitet, dann Anfragen ablehnen zu können.
Der Trend geht zu immer jüngeren Trainern. In diesem Sommer hat der FC Schalke 04 den 31-jährigen Domenico Tedesco verpflichtet. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Es ist totaler Quatsch, von einem neuen Trend zu sprechen. Diese Entwicklung gibt es schon seit 30 Jahren. Damals hießen die jungen Trainer Christoph Daum, Helmut Schulte oder eben Peter Neururer. Wir waren damals im gleichen Alter wie die jungen Trainer von heute. Nur wurde damals nicht so ein riesiger Hype darum gemacht.
Sie scheinen diesen Hype eher negativ zu sehen ...
Es ist schon extrem, was für ein Hype um einen Trainer wie Julian Nagelsmann gemacht wird. Er und seine jungen Kollegen sind tolle Trainer, sehr kompetent, das haben sie unter Beweis gestellt. Aber was passiert, wenn diese Trainer ein paar Niederlagen erleben? Meine Befürchtung ist, dass sie genauso schnell, wie sie vorher hochgejubelt wurden, dann plötzlich fallengelassen werden. Ein gutes Beispiel ist Frank Kramer. Das ist ein hervorragender Trainer, der richtig gute Arbeit geleistet hat, der aber von der Öffentlichkeit verbrannt wurde. Zum Glück wurde er vom DFB aufgefangen (Kramer ist U 19-Nationaltrainer, Anm.d.Red.). Ansonsten wäre dieser tolle Trainer aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Mit Peter Neururer sprach Oliver Jensen
http://www.n-tv.de/sport/fussball/Wir-haben-ein-Problem-mit-Kriminellen-article19955873.html