In der Nachwendezeit verabschiedeten sich aus meiner Heimatstadt diverse Gestalten, die schon hier bei vor Ort eher zu den "zwielichtigen" Typen gehörten. Nicht unbedingt Kriminelle, aber solche, die teilweise mehrere "Projekte" laufen hatten, oft auf der Suche nach dem schnellen Geld waren. Nach der Wiedervereinigung herrschte bei dieser Klientel Goldgräberstimmung. Von jetzt auf gleich ließen einige ihre Geschäfte im Stich und gingen in den Osten um dort von der Ahnungslosigkeit der Leute zu profitieren.
Das betraf ja auch das Verhalten vieler vorgeblich seriöser Firmen. Dabei denke ich vor allem an Kapitalgesellschaften wie Banken, Versicherungen, Bausparkassen. Teilweise ist es ja auch bei uns angekommen, wie viele von Beratern über den Tisch gezogen wurden und mit Verträgen, Krediten etc. ausgestattet wurden, die ihnen selbst am allerwenigsten genützt haben.
Im Fußball, um den Dreh wieder zu kriegen, wurde mir selbst in Gesprächen mit mehreren Spielern erzählt, wie unerfahren, ja naiv vielfach Vereinsführungen waren und wie dies etwa von Spielerberatern und Agenturen ausgenutzt wurde. Das Ergebnis können wir ja bis heute sehen! Energie Cottbus (puh, sogar der Bogen ist geschafft) war ja noch eher ein Sonderfall. Ich hatte den Eindruck, Energie stellte sich besser auf die neuen Gegebenheiten ein, schaffte den Anschluß an den höherklassigen Fußball bis hin zur Erstligazugehörigkeit. Doch sind die Rahmenbedingungen in der Lausitz trotz allem sicherlich um einiges schwerer als beispielsweise auf der Ostalb, wo ja derzeit mit dem VfR Aalen und fast sicher demnächst dem 1. FC Heidenheim gleich zwei Vereine zum höherklassigen Fußball hinzugestoßen sind bzw. wohl werden. Im Gegenzug kämpft Energie gerade darum, nicht aus der zweiten Bundesliga absteigen zu müssen.
Ich bin zu weit weg von einem Verein wie Energie um beurteilen zu können, ob die Antwort auf deren Probleme in einer Rückbesinnung auf eigene Ressourcen und Werte liegen. Mein Eindruck ist, dass man sich mit dem Modell "gallisches Dorf" nur für eine Zeit lang behaupten kann.
Dabei glaube ich weiterhin, dass die Probleme vieler Clubs weniger ein Ost/West-Problem sind, als ein wirtschaftliches. Von solchen Problemen wie sie viele Ostclubs haben, sind ja auch durchaus Vereine aus den alten Bundesländern betroffen, wenn das Umfeld sie nicht mehr trägt oder hausgemachte Fehler nicht mehr korrigiert werden können. Ich denke dabei an Vereine wie Hessen Kassel, Kickers Emden, FC Schweinfurt, SSV Reutlingen oder den VfB Lübeck. Wahrscheinlich muss man jeden Einzelfall betrachten, doch glaube ich, dass es durchaus vergleichbare Muster gibt.
Ob Stephan Schmidt der richtige Trainer für Energie Cottbus ist, wir werden es sehen. Er ist ja gebürtiger Berliner, damit kommt er zumindest nicht unendlich weit weg von Cottbus her (und spricht keinen alemannischen Dialekt

) In Paderborn hat er nicht gerade die ganz großen Dinger gedreht, in Wolfsburg soll er wohl ganz gute Arbeit geleistet haben. Zumindest die Liga kennt er, aber ob er eine Trendwende in Cottbus bewirken kann, so wie Olaf Janßen in den letzten Wochen in Dresden, abwarten. Janßen ist ja übrigens auch kein "Ossi", er kommt aus Krefeld und hatte seine ganz große Zeit beim 1. FC Köln. Im Erfolgsfall fragt man eher weniger nach der Herkunft des Cheftrainers, aber wehe, es läuft nicht wie erhofft ...
Edit: Mit Sorben hatte ich damals gar nichts zu tun, wurde nur einige Male darauf aufmerksam gemacht, wenn wir durch sorbische Dörfer oder Wohngebiete gefahren sind. Was Du anmerkst, wurde mir damals auch immer wieder so gesagt "die Sorben wollen nichts mit uns zu tun haben".