Wo schreib ich hier im Stammtisch Hoppinggeschichten rein? Fußball allgemein? Grmpf, klingt eigentlich nach so einer Art Resterampe. Und hier passt es auch nur zu 2/3, weil ja unsere Fahrt mit dem Relegationsspiel in Darmstadt begann. Aber weil es danach nach Kroatien und Österreich ging, schreib ich jetzt einfach hier bei "Ligen international"! So, nämlich!
Der geplante Trip nach Rijeka und Klagenfurt stand schon eine Weile fest, doch kam am Freitag eine unerwartete SMS: "Macht euch auf nach Darmstadt, wir haben Karten!"
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Tatsächlich motivierte mich die Aussicht auf ein Ticket für eine Partie, bei der ich nie im Leben damit gerechnet hätte, dort reinzukommen. Noch überraschender war der Überbringer der Karten: DSC-Geschäftsführer Marcus Uhlig. Was ein Praktikum doch alles bringen kann, welches einer unserer Mitfahrer dort beim DSC im Studium einmal gemacht hat ...
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Einen Pferdefuß hatte die Sache: Es handelte sich um Karten für den Gästeblock. Damit entfielen zum einen alle denkbaren Möglichkeiten Lilienfans zu treffen, zum anderen aber musste ich abermals in einem Arminiablock stehen. Das habe ich mal in den Neunzigern auf der Alm gemacht, als ich ein Sitzplatzticket für einen Steher getauscht hab und eben mittendrin statt nur dabei war ...
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Diesmal war es entspannter, auch wenn sich diverse Arminiafans wahrscheinlich gefragt haben, was das denn wohl für Gestalten sein mögen, die da eher unbewegt bleiben, während alles um sie rum in kollektiver Extase schwelgte. Da ich einmal davon ausgehe, dass der Verlauf der beiden Relegationsspiele hier allgemein bekannt sein wird, verzicht ich mal auf Spieleindrücke. Ehrlicherweise muss ich zugeben, nach dem Hinspiel überhaupt gar nichts mehr auf einen Darmstädter Aufstieg gegeben zu haben, zu klar schien Arminia die Sache im Griff zu haben!
Drei Dinge sind bei mir besonders hängengeblieben: Die schöne Choreo auf der Haupttribüne vor dem Spiel, die Bengaloshow in der zweiten Halbzeit im Arminiablock und vor allem eines: "Arminia, wie schön sind deine Tore"! Ich muss zugeben, dass ich ein solch klassisches Fußballlied viel mehr schätze als 98% dessen, was so üblicherweise gesungen wird, nicht nur von den Ultrászenen. Blut- und Bodenlyrik der Art "wenn wir alle zu dir stehn, wird xxx nie untergehn" empfinde ich inzwischen als austauschbar und pathetisch. Viel schöner finde ich dagegen Klassiker wie "Opa Pritschikowski" oder eben "Arminia, wie schön sind deine Tore"! Und es fielen ja gleich drei Stück davon ... Allerdings möchte ich nicht jene Fans übergehen für die Schiri Altekin ein "Judentürke" war, was wohl die ultimative Steigerung beider Begriffe sein soll. Nein, ein Lieblingsverein wird Arminia wohl nicht mehr werden ...
Nach einer durchgefahrenen Nacht kamen wir in der Mittagszeit bei unserem Hauptziel an: Rijeka! Warum ausgerechnet Rijeka? Wegen des Kantrida! Guckt mal:


Ein Stadion in einem Steinbruch am Meer, auf der einen Seite fünfzig Meter hohe Felswände, dahinter auf aufgeschüttetem Grund Tribüne, Parkplätze und ein Trainingsplatz - wo findet man sowas? Nun, bald auch nicht mehr in Rijeka, das Stadion wird wohl in Kürze durch einen Neubau ersetzt. Wir haben vielleicht das letzte Ligaspiel gesehen, welches dort noch ausgetragen wird.
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Einer von uns hatte einen kroatischen Bekannten, welcher uns freundlicherweise Tickets organisiert hatte. Als er uns diese aushändigte, machte er allerdings kein Geheimnis daraus, dass er uns für mehr oder weniger kompett bekloppt hielt, wegen eines Ligaspiels von HNK aus Deutschland anzureisen.
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Als wir beim Stadion ankamen regnete es recht heftig, auch wenn die Überschwemmungsgebiete woanders liegen. Grund genug jedenfalls für uns, eine Terrasse zu betreten, welche im Lauf des Abends noch eine wichtiger Rolle spielen sollte! Dort angekommen fielen wir offensichtlich doch recht schnell auf, und wurden gefragt, was wir denn da machen. Der Dialog ging in etwa so:
"Wir sind hier um das Stadion zu sehen und HNK zu gucken."
"Ihr kommt doch nicht aus Deutschland hierher um HNK zu sehen?!"
"Doch, genau das!"
"IHR KOMMT AUS DEUTSCHLAND UM HNK ZU SEHEN?"
Kurz zusammengefasst, plötzlich waren wir die Helden des Abends. Ich weiß nicht, ob, und wenn wie viele, andere Hopper an dem Tag dort gewesen sein mögen, doch wir wurden regelrecht abgefeiert! Das Spiel war für alle Beteiligten allerdings mehr oder weniger reine Nebensache: Es war das letzte Saisonspiel, die Heimmannschaft konnte sich nicht mehr verbessern oder verschlechtern, der Gegner immerhin noch die Liga direkt halten. Allerdings hatte man kurz vorher gleich zwei Megaanlässe zum Feiern gehabt: Zum einen hatte Rijeka das Rückspiel im Pokalfinale gegen Dinamo Zagreb gewonnen und damit den Cup geholt. Am Tag danach hatte das lokale Wasserballteam zum ersten Mal seit Jahrzehnten die kroatische Meisterschaft gewonnen (Wasserball ist in Kroatien ein sehr beliebter Sport.) Kein Wunder, dass die Partie gegen Slaven Belupo Koprivnica eher was zum allgemeinen Abhängen war!
Zum Spiel muss man nicht viel schreiben, die einen spielten mit ihrer Reservemannschaft und die anderen waren einfach so schlecht. Rijeka gewann 2:0, Slaven Belupo spielt eine Abstiegsrelegation, mehr gibt es dazu nicht zu schreiben.
Dafür um so mehr über einen Abend an dem wir bis in die tiefe Nacht hinein tranken, sangen, tanzten (es gibt Beweisfotos, wie ich mit einer attraktiven jungen Frau tanze - oder besser gesagt, sie tanzt und ich beweg mich wahrscheinlich so ähnlich wie Samson aus der Sesamstraße.
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Später lernten wir einiges über die balkanische Art des Autofahrens kennen und beendeten den Abend in bzw. vor einem wunderbaren Club in einer Eisenbahnunterführung. Wenn ich all das so schreibe, dann merke ich, wie wenig meine Worte jenen Abend zusammenfassen können. Aber meine prägendste Erinnerung an Rijeka wird nicht ein Trikot in Kindergröße sein, welches ich gegen ein SFS-Szeneshirt getauscht habe. Die unglaubliche Freundlichkeit der Leute, mit denen wir an diesem Abend zu tun hatten, hat einen weitaus stärkeren Eindruck hinterlassen!
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(Als Kontrast kann ich eine Bedienung in jenem Restaurant erwähnen, welches man uns mittags empfohlen hatte. Als diese uns sah, stieß sie den genervtesten Seufzer aus, an den ich mich im Gastronomiebereich erinnern kann. Kombiniert mit einem "geht woanders stören"-Blick vom allerfeinsten!)
An diesem Abend sprach ich auch über Rijekas wechselvolle und durchaus nicht unproblematische Geschichte und Gegenwart. Denn HNK hat mit der "Armada" alles andere als eine Kuschelszene! Wahrscheinlich hätten die "Judentürken"-Rufer aus Ostwestfalen da jede Menge verwandter Seelen getroffen!
Die Stadt selbst hat eine mehr als wechselvolle Geschichte als zentraler Hafen Kroatiens, mit Freihäfen für Ungarn und Österreich bis heute, als Kriegshafen und Marinebasis (in Rijeka wurde der Torpedo erfunden), als Stadt zwischen den Ländern und Kulturen. Noch heute heisst die Stadt auf italienisch und ungarisch "Fiume", ein Name, den sie lange Zeit getragen hat. Und: Dort ist die Geburtsstadt des Faschismus!
Kurz nach dem 1. Weltkrieg übernahm dort ein italienisches Freikorps die Macht, geführt von dem Nationalisten und Schriftsteller Gabriele D’Annunzio. Es ging um die Annektion Fiumes, um die Zugehörigkeit zu Italien zu sichern. Für eine Zeit entwickelte sich dort ein faschistischer Stadtstaat, dort wurde die Symbolik, die Rituale, die Ästhetik des Faschismus sozusagen im Blumentopf gezogen und später von Benito Mussolini adaptiert. Allerdings war das damalige Fiume sicherlich keine kroatische Stadt. Wie gesagt, eine schwierige und wechselvolle Geschichte ...
Tags drauf ging es zum dritten Ziel, dem italienischen Pokalfinale in Klagenfurt. Endspielteilnehmer waren der Zweitligist SKN St. Pölten und - jetzt kommts: Red Bull Salzburg. In Klagenfurt angekommen fanden wir schnell einen perfekten Parkplatz, gingen von da aus zum Stadion, welches wie ein gestrandetes Ufo inmitten von Äckern und Weiden steht, und liefen mitten in den Red Bull Mob rein!
Seit dem letzten Sonntag habe ich eine Idee davon, wie es Frodo und Sam zumute gewesen sein mag, als sie sich als Orks verkleidet mit einer Horde von Snaga durch Mordor bewegten. Dabei waren die Dosen alles andere als fürchterlich, im Gegenteil: Eine eher junge Klientel, viele Kinder, Familien. Dazu auch eine Ultrászene, die an der Bereitschaftspolizei mit brennenden Bengalos einfach vorbeiging, ohne das diese sich dafür irgendwie besonders interessierte. In Deutschland wäre dies absolut unvorstellbar!
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Irgendwann hatten wir uns durch die Dosen hindurchgearbeitet und fanden auch problemlos die Kassa (dort kein Schreibfehler), an der unsere Tickets hinterlegt waren. Gebraucht hätten wir die allerdings nicht, es waren insgesamt gerade mal etwas mehr als Elftausend Zuschauer im Wörthersee Stadion.
Dieses präsentiert sich als Stadion der neuen Generation, alles ist funktional und vom Feinsten, es war ja auch ein EM-Stadion. Auf die Videowände werden Bilder projiziert, welche eine durch die Reihen geschwenkte Kamera aufnimmt, wenn sich die Laute dann da sehen sind sie ganz supergut gelaunt, ab und zu guckt man auch aufs Spielfeld, aber irgendwie interessiert es keinen so richtig. Eine Sensation lag nur für zwei Minuten mal in der Luft, als St. Pölten die Salzburger Führung mit einem schönen Kopfball nach einer Ecke ausgleichen konnte. Doch schon fast im Gegenzug ein tapsiger Rückpass auf den Keeper, der schießt beim Wegschlagen den Gegner an, ein anderer zieht ab und die Dosen führten wieder. Da war jedem klar, eine Sensation wird es nicht geben.
Im Stadion rauchte und brannte es in beiden Blöcken immer mal wieder, ohne das da irgendwer ein Fass wegen aufmacht. Es interessiert andererseits auch niemand so recht. Einmal gab es eine Durchsage, als ein Blinker auf dem Platz lag, das war alles. Die Dosenfans zeigten eine völlig verschissene Choreo zu Beginn, die schlechteste, die ich seit langer Zeit im höherklassigen Fußball gesehen habe. Auf der anderen Seite die Fans aus St. Pölten mit einer Schwenkfahnenchoreo, ganz nett, nichts überragendes, aber um Welten besser als das, was die Dosenfans da versuchten.
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Beim 4:2 verließen wir das Stadion um ein wenig mehr Zeit für die Rückreise zu haben. Montagmorgen um halb fünf lag ich dann im eigenen Bett, der "Wolverine" stand wieder wohlbehalten vor dem Haus, und ich ließ noch ein letztes Mal die Eindrücke an mir vorüberziehen, bevor ich das Bewusstsein verlor ...
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