Quelle: HR-online.de
http://www.hr-online.de/website/rubriken/sport/index.jsp?rubrik=66655&key=standard_document_53521791 Leon Balogun über Robert Enke
"Ich habe zu ihm aufgeschaut"
Robert Enke (re.), im Hintergrund Leon Balogun (li.) (Bild: Imago)
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Leon Balogun (li.) hat in Hannover mit Robert Enke zusammengespielt
Darmstadt-Verteidiger Leon Balogun erinnert sich an seinen Mitspieler Robert Enke. Fünf Jahre nach dem Selbstmord des Torhüters spricht Balogun über den Mensch Robert Enke, den leeren Platz in der Kabine und was passiert, wenn Fußballer Schwäche zeigen.
von Ann-Kathrin Rose, hr-sport
Es ist der 10. November 2009, es ist einer dieser Tage, einer dieser Momente, die man in den nächsten Jahren nicht mehr vergessen wird. "Nationaltorwart Robert Enke ist tot", lautet die erste, nüchterne Eilmeldung. Immer wieder läuft die Nachricht nun in großen Lettern über den Bildschirm, schwer zu ertragen, kaum zu verstehen. Aus der erschütternden Nachricht dieses Abends wird in den nächsten Tagen die Geschichte des Torhüters, des Menschen Robert Enke. Er litt unter Depressionen, nahm sich an diesem 10. November das Leben.
Fünf Jahre sind seitdem vergangen. Für Leon Balogun, der damals mit Robert Enke bei Hannover 96 spielte, ist der 10. November noch immer ein besonderer Tag. "Wenn man heute seinen Namen hört, dann kommen die ganzen Erinnerungen wieder hoch", erinnert sich der Verteidiger, der inzwischen für Darmstadt 98 die Fußballschuhe schnürt. Diese Erinnerungen in Worte zu fassen, fällt ihm im ersten Moment schwer. "Es hat mich völlig überrascht", sagt Balogun dann doch. "Er wirkte immer so stark. Ich hatte das Gefühl, dass ihn nichts umwerfen kann." Vom Suizid seines Mitspielers hat er damals im Mannschaftskreis erfahren, der erste Moment, der Schock, wenige Tage später dann die große Trauerfeier im Stadion – der Verteidiger erinnert sich noch ganz genau. "Das war damals die schwierigste Situation, aber es war gut, dass wir Abschied genommen haben", so Balogun.
"Robert war eine Ikone"
Dass sie nur wenige Tage nach Enkes Tod wieder Fußball spielen und ins Stadion, den Ort der Trauerfeier, zurückkehren sollten, fiel seinen Mitspielern alles andere als leicht. Enkes Trikot mit der Rückennummer eins erinnerte zudem immer an den gerade verstorbenen Teamkollegen. "In der Kabine hat jemand gefehlt und er war nicht einfach nur irgendjemand. Robert war eine Ikone", sagt Balogun. Er erinnert sich gern an den Torhüter, aber auch an den Menschen Robert Enke. "Manchmal habe ich ihn einfach beobachtet. Dann hat man gesehen, dass er sich viel mit Fußball, aber auch mit sich beschäftigt hat. Er war Vollprofi, ein Vorbild und charakterlich ein Riesentyp."
Balogun war mit Enke nicht enger befreundet, aber er hat ihn geschätzt und verbindet mit dem Namen seines einstigen Teamkollegen nicht nur die Krankheit Depression und dessen Selbstmord. "Ich habe an Robs eigentlich nur gute Erinnerungen", verrät er. Wie der Torhüter mit Rückschlägen, so zum Beispiel seinem Kahnbeinbruch 2008, umgegangen sei, hat Balogun beeindruckt. Für die Mannschaft sei er so ein Vorbild gewesen. "Ich habe zu ihm aufgeschaut." Noch heute habe er manchmal Enkes Paraden vor Augen. "Da wusste man manchmal gar nicht, wie er die Bälle gehalten hat", so Balogun.
"Schwäche wird als Nachteil ausgelegt"
Viel ist nach Robert Enkes Tod gesagt und versprochen worden, verändert hat sich seitdem nur wenig. "Das Fußballgeschäft ist schnelllebig. Es geht um viel Geld und Prestige", sagt der Darmstädter Verteidiger. "Jede vermeintliche Schwäche wird zum Nachteil ausgelegt. Und das ist nicht nur im Fußball, sondern allgemein in der Gesellschaft so." Die Frage nach dem Umgang mit diesen Schwächen macht Balogun nachdenklich. "Es ist wohl so, dass sich nicht gravierend etwas verändert hat."