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AutorThema: Karlsruhe - Union  (Gelesen 236 mal)

Offline suk

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Karlsruhe - Union
« am: 10. November 2009, 12:29:22 »
Diesmal erreichten mich gleich zwei Berichte.

Zuerst ein etwas längerer Reisebericht von Holger (Eiserner Messias)
[Ausschließlich fußballinteressierte beginnen bitte erst ab Kapitel “Sonntag, Fußball” mit der Lektüre.]

Was ist der Nachteil daran, dass sich der Freundeskreis ausbildungs-, berufs-, studiums- oder familiengründungsbedingt irgendwann im Laufe des zweiten Lebensjahrzehnts in ganz Deutschland und sogar darüber hinaus verteilt? Man sieht sich nur noch unregelmäßig und verliert unter Umständen den Kontakt zu dem ein oder anderen. Was ist der Vorteil am eben genannten Phänomen? Man kennt immer irgendjemanden, der jemanden kennt, der irgendwo wohnt, wo Union spielt. So kam es, dass sich am vergangenen Wochenende eine illustre Runde von (Exil-)Berlinern im schönen Badener Land versammeln sollte, um einem dort wohnhaften alten Grundschulkumpel (nennen wir ihn “die Axt“), der mir beim Bolzen auf dem Schulhof vor gut 17 Jahren meine erste zu nähende Wunde zufügte einen Besuch abzustatten und um ein wahrhaft cremiges Wochenende zu erleben - bin ja schließlich kein nachtragender Mensch.

Samstag:

Darüber hinaus zeichnet mich aus, dass mich so schnell nichts aus der Fassung bringt. Eine Charaktereigenschaft, die sich bereits am Samstag um sechs Uhr in der Früh auszahlen sollte, als zunächst die Berliner S-Bahn und anschließend mein werter Herr Cousin und Mitreisender (nennen wir ihn “Mr. T“) meine Nerven auf eine echte Zerreißprobe stellten. Die S-Bahn Anekdote ist schnell erzählt: Pendelverkehr in Richtung Hauptbahnhof, die daraus resultierenden und nicht eingeplanten 13 Minuten Wartezeit am Bahnhof Friedrichstraße plus Blick auf die Uhr ließen nur einen Schluss zu: Ab ins Taxi und das eh schon schmale Budget erstmalig belasten (Extraklasse die kurze Konversation mit dem nonchalanten Taxifahrer. “Wohin geht‘s?” - “Zum Hauptbahnhof, bitte!” - “Man, fährt da keene S-Bahn hin?”).

7 Euro und knapp 10 Minuten später enterte ich pünktlich um 6.20 zum vereinbarten Treffpunkt den Hauptbahnhof, genau 19 Minuten vor Abfahrt des Zuges gen Karlsruhe. Fehlte nur “Mr. T”. Der Mann mit den Fahrkarten und einer Tiefenentspanntheit, von der sich selbst der Dalai Lama auch nach Finden seines persönlichen Chis noch ‘ne Scheibe abschneiden könnte. Um 6.30 hauchte mir “Mr. T” übers tragbare mit einem unnachahmlichen Timbre, mit dem er sonst Idiome wie “mir egal”, “weiß nicht” und “mal gucken” fabuliert, ins Ohr, dass er verschlafen hätte und ich ruhig schon mal vorfahren solle. Alter, wer hatte noch mal gleich die Zugtickets?

Und dann geschah etwas, das in meinem Reisebericht zwingend Erwähnung finden sollte. In meiner Verzweiflung wandte ich mich an den Deutsche Bahn Service Point. Dieser niedliche Sprachenmischmaschname an sich ist bereits der blanke Hohn - Bahn und Service in einem Atemzug zu nennen ist normalerweise zumindest, naja, gewagt. Genaugenommen handelt es sich hierbei wohl eher um zwei Komponenten, für die der richtige Klebstoff erst noch erfunden werden muss. Aber dieses Mal war alles anders und der äußerst kooperative und freundliche Bahnmitarbeiter stellte mir seinen Internetzugang zur Verfügung und ließ mich hinter den heiligen Tresen, sodass ich mir das Onlineticket erneut ausdrucken konnte. Fetzig, es geschehen doch noch Zeichen und Wunder und fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges (IC) war ich tatsächlich mit einem hierfür gültigen Ticket ausgestattet. In etwa auf Höhe Bitterfeld teilte mir “Mr. T” mit, er würde jetzt einfach mit der Regionalbahn nach Karlsruhe fahren. Okay, warum nicht, ist ja umme Ecke. Eins vorweg: Das Wettrennen habe ich mit 4,5 Stunden Vorsprung gewonnen und die Aussage “Wir sind gut angekommen, nur halt nicht gemeinsam!” hat das Zeug zu einem echten Evergreen.

Sichtlich gestresst von seinem Wochenendticket-Mitfahrer Unterkieferfehlstellungs-Bülent, dessen Fragestellungen dem Vernehmen nach einer gewissen Redundanz nicht entbehrten und der die etwas aus der Mode geratene “Null-Problemo-Geste” von ALF in allen passenden und unpassenden Situation nachzuahmen pflegte, fiel “Mr. T” aus dem Regionalexpress. Da ich das Karlsruher Sightseeing bereits alleine bestritten hatte (Schloss, Rathaus, alter Markt, Platz der Grundrechte, badisches Staatstheater, Bundesgerichtshof, fertig!), konnte man sich gemeinsam den angenehmen Dingen des Lebens zuwenden: Tiefkühlpizza essen, Bier trinken. Und zusammen mit der mittlerweile aus Frankfurt/Main eingetroffenen “Axt” Kubas Freiheit feiern (eines muss man “Mr. T” lassen, eine sympathische Prioritätensetzung hat er. Keine Jacke dabei, die Zahnbürste vergessen, aber ‘ne Flasche Havanna Club unterm Arm. Respekt!), bevor es gegen 0.30 in die “Stadtmitte” ging. In Karlsruhe bezeichnet der Begriff “Stadtmitte” keinen U-Bahnhof mit kilometerlangem Fußgängertunnel, sondern eine Lokalität, in der ein Plattenunterhalter der Sorte “Mike the Psych” die krasseste Musik der 70’er, 80’er, 90’er und das allerbeste von heute auflegt und damit Menschen glücklich macht, “die eigentlich alles querbeet” hören. Also genau mein Ding. Exakt drei Mal kam ich auf meine musikalischen Kosten: Beatsteaks, Kings of Leon, No Doubt. Exakt diese drei Mal kam die “Axt” auf mich zu und sagte: “Die Musik wird langsam schlechter, wa?“

5 Stunden später ging ein dennoch extremst lustiger Abend zu Ende und man torkelte “granatenvoll”, wie die “Axt” im Stakkatotakt zum Besten gab, nach Hause.

Sonntag:

9.30, mein Wecker klingelt. Die “Axt” und “Mr. T” sind auf unterschiedliche Art und Weise noch nicht anwesend. Meine Aufgabe besteht darin, den letzten fehlenden Bestandteil der Reisegruppe vom Hauptbahnhof einzusammeln und auf dem Rückweg Brötchen zu besorgen. “Der Schwabe”, Exil-Berliner aus Stuttgart, erscheint gut gelaunt und ausgeschlafen zum vereinbarten Treffpunkt. Sein Auto mit Stuttgarter Kennzeichen und Berlin-Aufkleber hat er schon mal vorsorglich auf einem Parkplatz am Karlsruher Wildparkstadion abgestellt und damit die Wahrscheinlichkeit, am Ende des Tages einen ausgebrannten Wagen vorzufinden, um mindestens 150% gesteigert. Krasser Typ!

Es folgt ein Frühstück, bei dem Bouletten eine Hauptrolle spielen, die eher als Türstopper zu gebrauchen sind sowie ein mit abgestandener Cola gemischter Cuba, der nach Capri Sonne schmeckt. Auf dem Weg zum Stadion fasziniert uns anschließend ein Automat mit Greifarm, der einem für nur 1,20 € im Gegensatz zu seinen Rummel-Brüdern einen Hauptgewinn garantiert. Mit auf diesem Weg gewonnenem Rothaus-Pils nähern wir uns dem Wildparkstadion.

Sonntag, Fußball:

Es gibt nicht mehr viele Orte in Fußball-Deutschland, an denen die Uhr in den 70er-Jahren derart stehengeblieben ist wie in Karlsruhe. Und das meine ich als Freund alter Stadien und Arenen-Gegenentwürfe keineswegs abwertend. Eine große Haupttribüne mit bunten Sitzschalen kommt im Vergleich zu den unüberdachten Kurvenstehplätzen und der genialen Trabrennbahn-Gegentribüne noch am modernsten daher. Die sandigen Stehtraversen sorgen später im Verlauf des Spiels dafür, dass die Karlsruher Ultras in ihrer Bewegung stets von einer Staubwolke umhüllt sind, was gerade im Lichtschein der alten schicken Flutlichtmasten zugegebenermaßen ziemlich geil rüber kommt. Akustisch geht allerdings leider, wie man es von Stadion dieser Bauart her kennt, nicht viel. Die mangelnde Überdachung und die relativ große Entfernung in den Kurven zum Spielfeld sind Stimmungstöter und geben den modernen Arenen Daseinsberechtigungsargumente.

Auch mit einem Tag Abstand bin ich jedoch noch nicht dahintergekommen, wie solche Argumente für die seltsame Prozedur der Gästefanabtastung im Wildparkstadion aussehen könnten. Beim Betreten des Stadions wurde man das erste Mal gründlich gefilzt, vorm Eingang zum Gästeblock ein zweites Mal. Nach jedem Toilettengang, Getränke- oder Essenseinkauf und abermaligem Betreten des Gästeblockes wurde die Abtastprozedur wiederholt. Besonders hervorheben wollte sich dabei ein Ordner vom Typ asiatischer Teufel, der unserem “Schwaben” am liebsten noch die Bratwurst durchgekaut hätte, um sicherzugehen, dass da auch ja keine Wunderkerze oder Aufkleberchen drin versteckt ist. Verstehe, wer’s will…

Bevor ich mich nun der unehrenvollen Aufgabe nähere, die erste Halbzeit des Spiels schildern zu müssen, lasst mich noch eines kurz erwähnen. Bei der Präsentation der Karlsruher Mannschaft auf der Videoleinwand habe ich nach Einblendung des Portraitfotos des KSC-Spielers Alexander Iashvili einen Erkenntniszuwachs erlangt. Was genetisch wirklich versaut ist, kriegt nicht mal mehr Photoshop hin. Is so.

Zum Spiel: Wie soll man die ersten 45 Minuten dieses Kicks bloß zusammenfassen? Ich glaube, es führt kein Weg dran vorbei zu sagen, dass gut 1.000 mitgereiste Unioner die schlechtesten 45 Minuten am Stück seit ewigen Zeiten mit ansehen mussten. Vollkommen verdient lagen die Karlsruher nach einer halben Stunde mit 3-0 in Führung, weil es den Unionern nicht gelang, in den Zweikämpfen Paroli zu bieten, weil die Heimmannschaft immer wieder ungehindert über die Flügel gefährlich flanken konnte und weil Herr Stuff beim 0-2 nur Spalier lief. Unfassbar schlecht, die rot-weiße Performance bis zu diesem Zeitpunkt. Da hätte auch der 1-3 Anschlusstreffer, den Karim Benyamina eigentlich hätte erzielen müssen, als er kurz vor dem Pausenpfiff urplötzlich alleine auf den KSC-Keeper Miller zulief, nicht wirklich was dran geändert.

“Was sagt ein Trainer, dessen Mannschaft zur Halbzeit 0-3 auswärts zurückliegt, wohl in der Kabine?” fragte die der Sportpsychologie zugewandte “Axt” in die müde und demoralisierte Runde. “Wir fangen bei 0-0 an. Reißt Euch jetzt den Hintern auf und lasst Euch vor 1.000 mitgereisten, die 12 Stunden mit der Regionalbahn gefahren sind, nicht abschlachten und zeigt, dass Ihr Eier habt!” - so meine Antwort. Wir einigten uns auf die Begrifflichkeit “Cochones-Rede”, um unserem persönlichen Fußballlexikon einen weiteren Eintrag hinzufügen zu können.

Und “Uns Uwe” muss die knackigste “Cochones-Rede” aller Zeiten gehalten haben. Beeindruckend, wie mutig, frisch und offensiv die Unioner plötzlich aufspielten und wie nervös die KSC-Elf trotz souveräner 3-0 Führung wirkte. Mattuschka brachte uns per 11m wieder ins Spiel zurück (Kenan Sahin war tatsächlich 1x gefoult worden. Von den anderen grob geschätzten 57 Hinfallern im Strafraum roch kein einziger auch nur entfernt nach Strafstoß) und eben jener Sahin ließ nach einer per Kopf verwandelten Freistoßflanke noch einmal richtig Hoffnung aufkommen. Da wird doch nicht etwa noch ein Punkt zu holen sein? Nein, leider nicht. Weil Marco Gebhardts Freistoß-Schnibbel-Flanke nicht nur an Freund und Feind vorbei flog, sondern leider auch nur wenige Zentimeter am langen Eck. Und weil Karim Benyamina auch das zweite 1:1 Duell gegen Markus Miller verlor und somit eine weitere 100%ige Torchance eher kläglich versiebte. Schlusspfiff.

Sonntag, Fußball, Sensationshighlight:

So richtig war unser Appetit auf Fußball noch nicht gestillt, weswegen wir uns entschlossen, uns noch die letzten 35 Minuten vom Kreisklassespiel FSSV Karlsruhe gegen Kleinsteinbach II reinzuziehen. Der Sportplatz war dank der Ortskenntnis der “Axt” schnell gefunden, ein Glühwein für jeden bestellt und der Spielstand ermittelt. 4-1 für den FSSV, berichteten zwei Herren, zwischen denen es in Sachen Fürstenbergkonsum ungefähr 8-8 gestanden haben wird. Kaum hatte man den ersten Zug Glühwein genommen, stand es auch schon 4-2. Ein schöner Kopfballtreffer, nett rausgespielt. Dabei Smalltalk. Wie es denn so aussieht mit Gewalt auf Karlsruher Fußballplätzen, fragte ich. So schlimm wie in Berlin oder gehe ich Recht der Annahme, dass die “O-Weisch-Des-Pascht-Scho-Mentalität” der Leute hier dazu führt, dass alles ein wenig gediegener abläuft? Kaum hatte die “Axt” diese Annahme bestätigt, passierte das Unfassbare. Ich glaub, ich hab auch das Mosquera-Tor in Aachen unfassbar genannt. Unfassbar nannte ich in meinem Leben schon so einiges. Aber das hier auf dem Karlsruher Bolzplatz war dann wirklichwirklich unfassbar.

Der FSSV antworte mit wütenden Gegenangriffen auf den 2-4 Anschlusstreffer. Ein schöner Pass in die Lücke der Kleinsteinbacher Abwehr und in den Lauf des Stürmers ließ einem Gästeverteidiger keine andere Wahl als zu einem kleinen taktischen Foul zu greifen. Mit der gelben Karte war er jedoch nicht einverstanden, ging lamentierend und gestikulierend dem Schiedsrichter entgegen und beschwerte sich lautstark über die seiner Meinung nach zu harte Entscheidung. Und dann… und dann… Trommelwirbel … verpasste der Schiedsrichter ohne Vorwarnung und in Sekundenschnelle dem Gelbsünder eine schallende Ohrfeige, dass mir fast der Glühweinhumpen aus der Hand gefallen wäre. Ernsthaft, Bruce Lees Hände werden beim Kerzenlichtauslöschen mittels Windzugerzeugung auch nicht schneller unterwegs gewesen sein, als die rechte Hand des Schiedsrichters. Allgemeine Sprachlosigkeit auf dem Platz. Konsternierte Spieler, konsternierte Zuschauer, ein konsternierter Schiri. Und dann doch noch ein bisschen “Des-Pascht-Scho-Mentalität” - keine Massenschlägerei, kein malträtierter Unparteiischer, keine Zuschauerausschreitungen, keine wüsten Beschimpfungen. Stattdessen verließ die Kleinsteinbacher Mannschaft wortlos (oder sprachlos?) geschlossen den Platz. Spielabbruch nach 65 Minuten. Ich glaube, jetzt habe ich fußballtechnisch ALLES erlebt. Oder?

In Hamburg St. Pauli werde ich das in drei Wochen erstmalig überprüfen - Eisern!

(Kleiner Nachtrag von der Redaktion... tatsächlich war der Spieler Iashvili auch bei den Daheimgebliebenen in der Qbar ein gern aufgegriffenes Thema. In diesem Zusammenhang fielen dann immer wieder so Wörter wie "Tschernobyl" oder "Valuev"...)







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Offline suk

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Antw:Karlsruhe - Union
« Antwort #1 am: 10. November 2009, 12:31:22 »
Und dann noch nen Bericht von meinem RK-Homie Stephan, der mich auch noch überraschend erreichte:

Auswärtsspiele in Karlsruhe. Ein Kapitel meines Lebens, das ich gern für immer geschlossen hätte, denn der 27. Oktober 2002, also vor fast genau 7 Jahren, war überhaupt nicht nach meinem und überhaupt dem Geschmack aller Unioner. Damals war das Wetter oll, die Anreise beschwerlich (Bus!), die Staatsmacht rigoros und das Spiel, naja weiß nicht mehr, aber Union hat jedenfalls 2:3 verloren.

Jedoch, nachdem ich so auf die bisherige hiesige Hinrunde zurückblickte und nur ein Auswärtsspiel in Duisburg auf dem Zettel hatte, musste ich diese Bilanz ein wenig aufpolieren, zumal ich mir keine große Chance ausrechne, in Hamburg dabei zu sein und auch in Bielefeld werde ich aus familiären Gründen passen müssen. Und nicht zuletzt will ich auch mal den Master of the Berichte himself unterstützen, in der schweren Zeit der rar gesäten Auswärtsfahrten ;-) (Anmerkung der Redaktion: Arsch! ;)

So fand sich dann eine kleine, aber geschmeidige Reisegruppe zusammen und düste zu frühester Stunde gen Baden. Die Fahrt verlief auch vorerst reibungslos, bis, ja bis man 1.333 Meter hinter der bayerischen Landesgrenze (ungelogen, per Google Earth nachgemessen!) am ersten Rastplatz gleich mit nem Blumenstrauß ner Polizeikelle in Empfang genommen wurde. Nichts anderes hätte ich zum 20jährigen Jubiläum des Mauerfalls erwartet! Da standen wir nun bestimmt 20 Minuten und betankten das Gefährt und uns selbst, aus der Ferne beobachtet von zwei komischen, zivil gekleideten Personen, die ich zuerst für sächsische Gaffer hielt. Naja... just als wir die Reise fortsetzen wollten, zack Kelle raus und angehalten. Ausweise (Plural!), Führerschein, KFZ-Papiere, das übliche. Die Antwort, warum man uns überhaupt und wenn, dann nicht schon kontrollierte, als wir eh da rumstanden, nuschelte der eine unverständlich in seinen akkurat gestutzten Schnauzbart. Ich habe daraus gelernt, dass BT das Kennzeichen für Bayreuth und nicht für Bitterfeld ist.

Gestärkt und emotional geladen setzten wir die Reise fort und kamen dann auch überpünktlich im Ort des Geschehens an. Ich schreibe bewusst im Ort, weil im Ort nicht am Ort heißt. Letzteres würde implizieren, dass man ohne Umwege direkt zum Ziel gelangt, aber wer mich kennt der weiß dass ich zu gerne erst die Spielorte geografisch abchecke und die Auskunftsfreude der Einheimischen anteste. So auch diesmal, wir waren trotzdem aber zeitig genug am Stadion. Und auch hier lernte ich etwas, südfränkisch für Runaways, die Brücke heißt hier s´Brückle.

Im Stadion für faire 6 Euro eingecheckt und gleich der erste Schock, das Banner muss abgeben werden und wird von den Ordnern aufgehangen. Ich tat wie mir geheißen, denn diskutieren brächte eh nichts ob der Sturheit und der schon erwähnten Sprachbarrieren. Das Ding wurde auch fachgerecht platziert, na wenigstens etwas. Die Personenkontrollen waren auch von solch deutscher Gründlichkeit, dass einem um sein Leib und Leben im Stadion nicht bange sein musste. Zweiter Schock dann kurz vorm einlaufen, ein Lied dröhnte durch die Lautsprecher, das ich zeitlich irgendwie in das letzte oder vorletzte Jahrhundert einordnen würde. Es war das „Badnerlied“. Ich spare mir mal jeglichen Kommentar dazu. Man stelle sich nur mal vor, im Stadion An der Alten Försterei liefe „Berliner Luft“ oder sowas... *schauder*

Das Stadion an sich hatte ich genau so oder ähnlich noch in Erinnerung, nur die Haupttribüne schien mir neueren Datums zu sein. Die Sicht aus dem Gästeblock war frei, man war leider nur gefühlte 200 Meter vom gegenüber liegenden Tor entfernt.

Kurz vor Spielbeginn wurden noch kurzerhand die Zaunfahnen diverser Gruppierungen zurückerobert und eigenhändig aufgehangen, da diese nicht wie vereinbart von den Ordnern an, sondern liegend vor dem Zaun platziert wurden, und da sind sie nun mal leider für die Heimseite und die Spieler nicht wahrzunehmen. Daher meine persönliche Zustimmung für diese Aktion, obwohl man hoffen muss, dass alle Beteiligten ungeschoren davon kommen werden. Heutzutage werden ja leider schon lächerlichere Dinge als unerlaubtes Betreten des Innenraums geahndet.

Union lief zur Vorwoche verändert auf. Parensen rückte für den sich beim Aufwärmen verletzten Kohlmann in die Abwehr, davor Mouhani nach Sperre erwartungsgemäß für Menz, und Gebhardt und Sahin spielten wieder von Beginn an. Zur ersten Halbzeit gibt es eigentlich nicht viel zu berichten, das Ergebnis spricht ja schon Bände. Alle drei Tore resultierten aus Abwehrfehlern, wobei das erste Tor wirklich sehr fein herausgespielt wurde und schwer zu verteidigen war. Hinten wie gesagt pfui und vorn auch nicht gerade hui, Sahin hatte eine gute Einschußmöglichkeit per Schlenzer und Benyamina versagte kurz vor der Pause kläglich gegen Miller, nicht das einzige Duell der beiden an diesem Tag. Ich ahnte schlimmes, musste aber auch an das legendäre 5:3 in Braunschweig denken, wo man ja auch zur Pause lieber den Weg gen Heimat zu Fuß angetreten hätte, als sich nochmal 45 Minuten sowas Grottiges anzuschauen. Wie das dann endete kann der geneigte Leser ja gern nochmal genüsslich hier nachlesen. Ich ahnte also schlimmes und hoffte auch insgeheim auf ein ähnliches Kunststück.

Es muss ordentlich was los gewesen sein in der Kabine, denn die weiß gekleideten Hauptstädter kamen schon nach etwas über 10 Minuten wieder auf den Platz. Ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Wie auch immer, Union spielte nun genau so, wie man es sich als eingefleischter Fan eigentlich in den schönsten Träumen vorstellt, es wurde gebissen und gekämpft, es wurden Zweikämpfe angenommen und auch gewonnen, und es wurde ab und an auch die feine Klinge hervorgeholt. So wurde dem Gastgeber vollständig das Spiel aus der Hand genommen und es wurde offenbar, wie schlecht eigentlich Karlsruhe ist und dass man nicht zu Unrecht weit unter den Erwartungen zurück bleibt. Das 3:1 fiel durch eine Premiere, den ersten Elfmeter dieser Saison. Dieser war durchaus berechtigt, weil Sahin, der sich am Abwehrspieler vorbei auf der linken Seite zur Grundlinie durchtankte, nur per unfairen Fuß- und Armeinsatz gestoppt werden konnte. Mattuschka nahm sich wie selbstverständlich die Pille und verwandelte, wie allerdings kann ich nicht sagen, weil ich nach dem Auftreten in der ersten Hälfte befürchten musste, dass selbst so eine Chance vergeigt würde und mich abwand. Dem war glücklicherweise nicht so und nun hieß es dranbleiben. Union spielte nun wie verwandelt und selbst planlose Vorstöße konnten in Chancen umgewandelt werden. Aber es war wieder mal ein ruhender Ball, der für wirkliche Gefahr und letztendlich für den Anschluss sorgte, Freistoß Mattuschka von links genau auf die Omme von Sahin, der nur einköpfen musste! Pogo! Und es war mehr drin, das spürten alle. Doch leider trug Sahin seine Nase so hoch, dass er ab und an mal ohne Notwendigkeit das Gleichgewicht einbüßte oder besser stehende Mitspieler übersah, Benyamina fand auch im zweiten direkten Duell gegen Miller in erbärmlicher Art seinen Meister und der Schiedsrichter wertete kurz vor dem Ende ein Foul an Schulz umgekehrt als Angriff im Fünfer, so dass am Ende doch eine unglückliche Niederlage stehen bleibt.

Die Stimmung auf beiden Seiten war meiner Meinung nach durchweg ordentlich und wurde auch nicht durch die drei oder vier Hirnis gestört, die jenseits des Trennblocks unentwegt Schmähgesänge gegen die Unioner schmetterten und eine Sachsenfahne (!) wedelten. Die waren so jämmerlich, dass es schon wieder lustig war.

Nach dem Abklatschen der Mannschaft wurde sich gar nicht lange aufgehalten, denn ich wollte ja auch noch meinem anderen Hobby neben Fußball frönen, dem Tankstellenhopping. Denn kaum auf der Autobahn, blinkte prompt die Tankanzeige, die ich bis dahin irgendwie übersehen oder schlicht ignoriert haben musste. Also wieder abgefahren und Roccos Rat, doch weiter zu fahren, da käme schon noch ne Tanke, ignoriert. Naja, ich fand dann auch eine, in Bruchsal glaube ich. Wieder zurück auf der Schnellfahrpiste wurde mir dann klar: Rocco hat oft Recht. Eine Tanke an der Autobahn, kein Kilometer hinter der Abfahrt. Ich spürte die grimmigen Blicke der Mitfahrer wie Bienenstiche. Der Rest der Fahrt verlief äußerst cremig, schade war nur dass Bayern 5 lieber alle paar Minuten die gleichen Nachrichten verkündete, anstatt mal öfter in die Bundesligaspiele zu schalten als nur die letzten paar Sekunden... So verhalf man sich eben mit „Schlachtrufe BRD“ und „Atzenmusik“ über die Zeit.

Bleibt zu konstatieren: eine angenehme Fahrt, die ich, um den Bogen zum Berichtsbeginn zu knüpfen, dann letztlich doch nicht bereute. Das Wetter war schön, die Reisegruppe um einiges angenehmer, nur das Spielergebnis war das Gleiche.







Eisern!
« Letzte Änderung: 10. November 2009, 17:04:04 von suk »
Was ist der Unterschied zwischen Rassismus und Chinesen?
Rassismus hat viele Gesichter...

Offline rho

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Antw:Karlsruhe - Union
« Antwort #2 am: 10. November 2009, 13:33:33 »
 [kicher] top Berichte, und so zeitnah [hooch]
bei Tor 2 wurde in unserer Destille doch tatsächlich Bier verschüttet...
"Geben Sie "google" bei google ein und zerstören sie damit das Internet."

Offline suk

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Antw:Karlsruhe - Union
« Antwort #3 am: 10. November 2009, 13:40:02 »
Es hätte auch NOCH zeitnaher - aber ich konnte nicht.  [whiteflag]

In unserer Destille wurde vor allem bei Karim in der 75. so einiges verschüttet...
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Offline rho

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« Antwort #4 am: 10. November 2009, 15:06:47 »
da war hinterm tresen plötzlich jaaaaaaaaaaaaaanz dicke Luft, für Sekunden hörte man kein Wort aus meinem die ganze Zeit den Ausgleich beschwörenden Mund, Bestellungen wurden IGNORIERT...ich glaube ich hörte mich sogar:"Fußball ist Scheiße." sagen... [schweigg]
« Letzte Änderung: 10. November 2009, 15:09:55 von rho »
"Geben Sie "google" bei google ein und zerstören sie damit das Internet."