Offensichtlich das erste Mal im neuen Düsseldorfer Stadion war (dankenswerterweise wieder) Holger:
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Wärst du doch in Düsseldorf geblieben, schöner Playboy, du wirst nie ein Cowboy sein! Wärst du doch in Düsseldorf geblieben - das wäre besser für dich und für Düsseldorf am Rhein!
Aber lassen wir es mal dahingestellt, was jetzt besser für wen gewesen wäre - im Nachklang des zweiten Düsseldorf-Aufenthaltes meines Lebens kann ich ehrlich gesagt 42 Jahre nach Veröffentlichung dieser Zeilen den Playboy immer besser verstehen, weshalb er keinen Bock auf Düsseldorf gehabt haben könnte. Angefangen beim Hauptbahnhof im Schuhkartonstil, der superbonzigen Königsallee samt ihrer mit Schuhen aus Glas, güldenen Handtäschchen und Swarowski-Brillengestellen ausgestatteten Laufkundschaft über das komplett hinter Baugerüsteten verschwundene Rathaus und einer deutschlandweit einmaligen (und denkbar unnötigen) Gelbphase für Fußgänger bis hin zu den furchtbar überlaufenen und überteuerten Lokalitäten der Altstadt - Düsseldorf sammelt in der Tat schon eine Menge Punkte auf der Negativliste, BEVOR man das Stadion überhaupt erreicht hat. Und dann geht’s erst so richtig los mit tösendem Gameshow-Gedingdangdonge und eine Steigerung des Punktestandes in astronomische Höhen.
Ich glaube, es ist schon oft gesagt worden. Ich sage es trotzdem noch einmal, weil es stimmt und weil Wiederholung an der Stelle als stilistisches Mittel benutzt wird, um ein Einprägenkönnen der Sachlage zu erleichtern. Leute, tragt es in die Welt: Das Stadion in Düsseldorf sieht von außen aus wie eine Messehalle, ein Flugzeughangar, ein Warenlager eines 1-Euro-Ramschladens, ein Aufbewahrungsort für Massenvernichtungswaffen oder meinetwegen noch wie ein überdimensionierter Schuhkarton im Stile des Düsseldorfer Hauptbahnhofs, aber mit definitiver Gewissheit NICHT wie ein Fußballstadion.
Kaum hat man diesen Schock verdaut, warten anderthalb Stunden vor Anpfiff auch schon geschätzte 50 neongelb gekleidete Ordner darauf, die bereits anwesenden 12 Unioner abzutasten, beim Einscannen der Eintrittskarten zu helfen und wahrscheinlich heimlich via Computerchipimplantat und Nacktscanner letzte Sicherheitsbedenken zu minimieren.
Es folgt der Einkauf des Fortuna-Magazins für einen Euro. Was man für einen Euro nicht alles sinnvolles hätte kaufen können: Isolierband bei MacGeiz, ’ne Dose Lycheesaft beim Asia Bistro, ’n McFlurry mit astrein bunten Smarties oder halt einfach die Vorverkaufsgebühr für die Rostockkarten. Aber nein, ich superhumaner Auswärtsfahrer fall auf den flehend-bettelnden Blick des Düsseldorfer Magazinverkäufers herein und denke ernsthaft, ich könnte die Wartezeit bis zum Anpfiff mit der Lektüre dieses Heftchens verkürzen. Sehrsehr schnell habe ich jedoch alle in und um Düsseldorf herum ansässigen Firmen kennen gelernt, mal wieder gelesen, wie toll wir unser Stadion gebaut haben und das Heft lernt den Kreislauf des Recycling kennen, BEVOR ich das Stadion überhaupt betreten habe.
Weiter geht’s im Takt der Tiefschläge sobald man das Stadion beziehungsweise dessen Vorraum entert: Wie ein Multiplexkino der übelsten Sorte kommt die Düsseldorfer Arena daher, auf feinstem grauen Linoleum werden HotDogs und Popcorn kredenzt - das einzige, das die Negativ-Punkteskala jetzt noch nicht zum Explodieren bringt ist der Umstand, dass es keine F95-Hyper-Premium-Arena-Card gibt, mit der man prima bargeldlos bezahlen kann. Während eine Reinemachefrau mit Migrationshintergrund nur 30 Sekunden nach dem Kleckern meine Senfspuren beseitigt, fühle ich mich als Freund alter Stadien und als absoluter Kinoliebhaber gleich doppelt vergewaltigt, noch BEVOR ich das Stadion von innen gesehen habe.
Denn jetzt gilt es erst einmal die nächste Hürde zu überspringen. Ein Ordner der Sorte absoluter Fachmann postiert sich vor dem Gästeblock, zeigt auf unsere Schals und versucht uns weiszumachen, dass man “damit hier nicht reinkommt”. Zufällig turnt gerade sein Vorgesetzter durch den Block - zu erkennen am wichtigen Funkgerät, seiner nicht zu unterschätzenden Funktion als Rumsteher und daran, dass er es sich erlauben kann als einziger Ordner ohne Bleppo-Basecap mit Klüh-Security-Aufdruck durch die Gegend zu latschen. Fundiert klärt er die Sachlage: “Jaja, han dir zwar jesaat, dat du kein mit rut-wießen Schals reinlosse sulls, aber kann ich ja nit rieche, dat die andere uch Rut-Wieß sin. Luur einfach, dat kein Fortune reinkütt.“ *
Insbesondere Fortuna spricht er hierbei in einem derart eklig-breiten rheinischen Dialekt - onomatopoetisch nicht wiedergebbar - dass ich unter der Jacke der Negativliste zwei weitere DICKE Striche hinzufüge, noch BEVOR ich den Gästeblock erreicht habe.
Der Ordner hat das Prinzip verinnerlicht, lässt passieren und gewährt im weiteren Verlauf der Kontrolle Menschen mit Blackburn Rovers-, Hellas Verona-, Hamburger SV- und Aston Villa-Fanutensilien und sogar Barbie und Ken Einlass in den 1.FC UNION BERLIN GÄSTEBLOCK. Wer das okay findet, der kann sich genau jetzt mit seinem Werder Bremen Schlafanzug wieder in die Borussia Mönchengladbach Bettwäsche verkrümeln und noch einen schönen Schluck Energie-Kaffee aus dem BVB-Pott nehmen. Alle anderen sind aufgefordert, dieses Problem beim nächsten Auswärtsspiel diplomatisch (!) zu lösen.
Ich bin also im Stadion. Die DIN-A4 Negativliste ist zwar schon voll und der obligatorische IKEA-Bleistift fast nicht mehr sichtbar, aber ein paar Striche muss ich dann doch noch aus ihm rausquetschen. Bunte Sitzschalen. Wie im Jahn-Tierpark. Wohin das Auge reicht. Im Taka-Tuka-Land riecht’s nach Pipi!
Und wenn man sich noch einmal den Grund für die Sitzschalengestaltung vor Augen führt, kann man einfach nur noch den Kopf schütteln. Da bauen die ein Stadion für 50.000 Mann, gehen davon aus, dass es niemals voll wird und um das zu kaschieren gibt’s bunte Sitze. Wie bekloppt ist das denn, bitte?!? Hab ja neulich erst gelesen, dass Kaiser’s in Dreileben-Drackenstedt ‘ne viergeschossige Kaufhalle hochzieht, in den oberen drei Stockwerken gibt’s allerdings nur Artikel aus dem Kinderkaufmannsladen, aber Hauptsache es sieht schön üppig aus…
Sorry, immer noch nicht ganz fertig mit der Bepunktung. Weitere Striche gibt’s für das Nichtvorhandensein von Stehplätzen, für die Beweisführung, welch Schindluder man mit elektronischen Anzeigetafeln und moderner Stadiontechnik treiben kann und für die beiden geisteskranken Moderationsclowns zusammenfassend noch einmal einen extra plus Bonuspunkt für die allesamt nur kurz angespielten und dennoch überzeugend schlechten 95-Hymnen. Der letzte Punkt, BEVOR das Spiel angepfiffen wird, geht, Herzlichen Glückwunsch, an die Fortuna-Ultras an der Eckfahne für ihre ausgetüftelte Choreographie der Marke Handball-Bundesliga und für die fast schon literaturnobelpreisverdächtige Spruchbandlitanei mit dem mutigen Versuch “macht” auf “macht“ zu reimen.
Anpfiff. Die Fortuna, lautstark angefeuert von vielleicht 10% der im Stadion anwesenden (Anm. der Red. - der Fairness halber möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Stimmung der Heimfans im TV ziemlich laut und eindrucksvoll rüberkam. Kann man im Gästeblock dieser Arena ja leider nicht hören, soll aber natürlich nicht unerwähnt bleiben), stellt schnell unter Beweis, warum sie die heimstärkste Mannschaft der Liga ist. In der halbleeren Arena ohne jeglichen Esprit lassen sie keinen Zweifel aufkommen, dass sie die Negativserie von drei 0-1 Niederlagen gegen den 1.FC Union in Folge gerne beenden wollen würden. Aggressiv in den Zweikämpfen, laufstark und ballsicher erarbeiten sie sich doch ein deutliches Übergewicht und neben einem Lattentreffer gibt es bereits in der Anfangsphase die eine oder andere durch Glinker vereitelte Torchance zu notieren. Bei den eisernen Fußballgöttern geht nach vorne nicht besonders viel, insbesondere Ede wirkt noch wie ein Fremdkörper und das Experiment, Parensen im Spiel auf die rechte Seite rotieren zu lassen, erweist sich nicht als gelungener Schachzug. Lediglich Paul Thomik ließ kurz vor der Pause einen gelungenen Warnschuss ab, doch leider strich sein Linksschuss knapp am Tor vorbei. Ein Extralob meinerseits verdiente sich in der ersten Hälfte Torsten Mattuschka, der vor der Ausführung einer Ecke ein Feuerzeug aus dem Düsseldorfblock ins Gesicht bekam, sich eine Platzwunde zuzog, aber eben NICHT stundenlang theatralisch über den Platz kugelte oder sich beim Schiedsrichter ausheulte. So geht’s eben auch.
Die zweite Halbzeit, das Sahnehäubchen dieses gelungenen Düsseldorfausfluges. Erst das 0-1 nach einem umstrittenen Freistoß gefressen, bei dem der ansonsten starke Glinker meiner Meinung nach ein wenig zu unentschlossen zu Werke geht und dann immer wieder das gleiche Muster: halbwegs gefährliche Bälle in den Düsseldorfer Strafraum, zumeist nach Standardsituationen, verpasste Peitz immer um nur wenige Zentimeter. Wenn da jetzt an seiner Stelle der Herr Stuff aufgetaucht wäre, dann hätten wir das Ding 3-1 gewonnen. Aber, naja, hätte meine Oma Räder, wäre sie ein Bus. Und hätte der Hund nicht geschissen, hätte er den Hasen noch gekriegt, kennt man ja. Ich bitte dies daher lediglich als einen nicht ganz ernstgemeinten und mit Augenzwinkern versehenen Kritikpunkt an der taktischen Marschroute von “Uns Uwe“ aufzufassen. Das Spiel ging dem Ende entgegen und plötzlich feierte und sang das ganze Stadion. DAS war beeindruckend, DAS war laut, DAS war stimmungsvoll.
Aber der Rest war, wie ihr hier vielleicht hier und da zwischen den Zeilen vernommen habt, einfach nur gruselig. Ich verbleibe daher mit einem kräftigen Eisern! und dem Fazit:
“Wäre ich doch in Berlin geblieben, das wäre besser für mich und für Düsseldorf am Rhein”
Holger (Eiserner Messias)
* “Jaja, ich hab dir zwar gesagt, du sollst keine mit rot-weißen Schals reinlassen, aber woher soll ich wissen, dass die anderen auch rot-weiß sind. Guck einfach, dass keiner von Fortuna reinkommt.”



Eisern!