Wenn man als regelmäßiger und langjähriger Fußballanhänger, Fan und Stadionbesucher nach seinen schlimmsten Erinneungen befragt wird, ist man geneigt, eine der vielen katastrophalen Niederlagen hervorzukramen, Niederlagen in entscheidenen Spielen gegen namhafte Gegner.
Mir ist im Laufe des Wochenendes aufgefallen, dass für mich persönlich an an den meisten dieser Niederlagen etwas Tröstliches hängt, häufig eine Einnerung an gemeinsam abgearbeitete Trauer oder an ein in diesem Moment entstandenes Jetzt-erst-recht!-Gefühl, dass sich dann vielleicht später in irgendwelchen Erfolgen manifestierte.
Mir ist am Wochenende aufgefallen, dass ich mich lange nicht mehr so mies gefühlt habe, wie nach diesem öden 0:0 gegen Dynamo Dresden. Richtig lange.
Dass hat am allerwenigsten eigenen Mannschaft und ihrer Leistung zu tun. Union spielte nicht gut. Zu Unkonzentriertheiten und Ungenauigkeiten gesellte unerklärliche Unlust, den Weg in die Spitze wenigstens zu suchen. Im Mittelfeld wollte keiner den Ball, bei Offensivaktionen rückte man nicht nach, es war eine Qual. Ich hatte nach 29 Minuten , also unmittelbar vor unserer ersten Torchance, beschlossen, heute mit einem dreckigen 0:0 zufrieden zu sein, und diese Einstellung musste ich auch bis zum Abpfiff nicht mehr revidieren.
Das würde mir aber alles nichts ausmachen, wenn ich nicht das Gefühl hätte, einem überzogenen Hype beizuwohnen, anstatt einem Fußballspiel. So ungefähr muss es sein, wenn man in London das Konzert einer Band besucht, die einen Monat vorher auf dem Cover des NME war. Union gegen Dresden wollen plötzlich alle sehen. Und auf den Rängen manifestiert sich dann außerhalb der Ultrablöcke eine Stimmung, die ich in dieser Form überhaupt noch nicht erlebt habe. Es ist ja nicht mal so, dass die Leute um mich herum gar nichts machten und sich als Konsumenten berieseln lassen wollten. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass ein Marco-Polo-Reiseführer für das Spiel herausgegeben worden war, und man sich brav an den 25 Punkten "Was muss ich tun, wenn Union gegen Dynamo Dresden spielt" abarbeitete. Es ist brechend voll (zumindest da, wo ich stand), aber es geht ja sportlich um nichts. Auf dem Platz passiert auch nichts, aber ich habe ja eh keine Ahnung. Ich bin mit meiner Freiundin da, und der habe ich gesagt, dass das hier ganz toll ist. Also kreise ich jetzt bei jeder sich nicht bietenen Gelegenheit voll aus. Wir sind nämlich der Oppositionsverein und das ist die SG Volkspolizei. Ich bin 24 und ich weiß das. Börks!
Es gibt kein Bier zum Frust ertränken. Wenn es Bier gäbe, könnte ich keins kaufen, weil es so voll ist, dass ich aus dem Bock nicht rauskomme.
Ich kann man nicht an den Schultern der Frau oder der Freunde ausweinen, weil ich nicht rankomme. Es fällt niht mal ein Gegentor, auf dass der Frust auch die anderen zu mir herunterziehen würde. Keine größere Fehlentscheidung des Schiedsrichters gibt der Stimmung eine Richtung. Es ist zum Heulen. Im Gästeblock ziehen die Gäste eine Show ab, an der Kim Jong Un seine wahre Freude hätte. Wie hießen eigentlich die Ultras in der DDR? Die da immer in
Leipzig aufgetreten sind?
Ich freue mich auf das Spiel gegen Regensburg.