Die Tour durch die deutsche Brille gesehenEs gab eine Zeit, da mischten deutsche Radsportler das ganze Jahr erfolgreich im weltweiten Renngeschehen mit. Da gewannen sie Weltmeistertitel oder insgesamt 6 Etappen bei der Tour de France oder beim Giro d‘Italia. Da gewannen sie Radsport-Klassiker wie Mailand-San Remo, Paris-Tours oder die Cyclassics in Hamburg. Da kämpften sie bei allen wichtigen Rennen des Jahres um Siege mit, verrichteten wichtige Helferdienste für ihre Team und bei der deutschen Meisterschaft fuhren einige der erfolgreichsten Fahrer der Saison gegeneinander. Nein, diese Zeiten sind nicht lang her. Es sind nicht die Zeiten von Jan Ulrich und Erik Zabel, nicht die 70er mit Didi Thurau und auch noch weiter in die Vergangenheit muss man nicht zurückblicken. Das Jahr, in dem deutsche Fahrer so erfolgreich waren liegt nicht lange zurück. Wir sprechen vom Jahr 2013.
Wer davon nichts mitbekommen hat - das ist nicht verwunderlich. Radsport findet im deutschen TV fast gar nicht mehr statt. Selbst die Etappen und Platzierungen bei der Tour de France sind ARD und ZDF nur noch kurze Meldungen in den Nachrichten wert - und auch diese Meldungen muss man unbedingt mit Dopinggerüchten oder älteren Dopingfällen verbinden. Und andere, spannende Rennen fanden schon vorher nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Dabei ist vielen entgangen, dass gerade der deutsche Radsport nach einigen Umbruchjahren mit richtig frischem Wind daherkommt. Dass eine junge und erfolgreiche Generation am Start ist, denen auch die internationale Konkurrenz eine hohe Glaubwürdigkeit bescheinigt und die trotzdem sehr erfolgreich ist. Eine Generation, aus der einige auch im Jahr 2014 mit Siegchancen über Frankreichs Straßen rollen werden.
Allen voran fährt
Marcel Kittel. Der Thüringer feierte seinen endgültigen Durchbruch, als er 2013 allein 4 Etappen bei der Tour de France gewann, darunter die prestigereiche Schlussetappe in Paris. Marcel Kittel gilt in Radsportkreisen als der Sprinter, der dem britischen Superstar Mark Cavendish am ehesten seine Vormachtstellung bei Sprintankünften streitig machen kann. In seiner Siegbilanz stehen außerdem Etappensiege bei der Vuelta d’Espana 2011 und beim diesjährigen Giro d’Italia.
Mit Kittel um Sprintsiege wird
André Greipel kämpfen. Der Rostocker, der aufgrund seines kräftigen Körperbaus den Spitznamen Gorilla trägt, kommt als frischgebackener Deutscher Meister zur Tour de France und wird dort versuchen, im 4.Jahr in Folge mindestens eine Etappe zu gewinnen. Insgesamt hat Greipel bereits 5 Tour-Etappensiege auf seinem Konto.
Im einzigen Zeitfahren bei dieser Tour möchte der Cottbusser
Tony Martin um den Sieg mitfahren. Das Profil dieser Etappe und auch der Zeitpunkt am vorletzten Tour-Tag kommen ihm zwar nicht entgegen, dennoch sollte der Zeitfahr-Weltmeister der letzten drei Jahre dort gute Chancen haben und um seinen insgesamt dritten Tour-Etappensieg mitkämpfen können.
Mittelschwere Etappen mit kleineren Bergen sind eher etwas für
John Degenkolb. Der in Gera geborene Klassiker-Spezialist feiert seit Jahren große Erfolge bei Eintagesrennen wie 2013 bei Paris-Tours oder den Hamburger Cyclassics. Dass er auch bei großen Landesrundfahrten erfolgreich sein kann, bewies er bereits 2012 als er bei der Vuelta d’Espana 5 Etappen gewann sowie 2013, als er sich beim Giro d’Italia in die Siegerliste eintragen konnte.
Auch
Jens Voigt hat es erneut geschafft. Sein TREK-Team nominierte den in Berlin lebenden Mecklenburger auch in diesem Jahr für die Tour. Damit bestreitet der zweimalige Tour-Etappensieger (1x 2001 und 1x 2006) im Alter von 42 Jahren bereits seine 17. Frankreich-Rundfahrt. Früher durfte er in Frankreich in Ausreißergruppen fahren und so um Etappensiege kämpfn. In diesem Jahr wird er allerdings hauptsächlich als Helfer für seinen Kapitän Andy schleck arbeiten müssen.
Helferdienste werden auch der Zschopauer
Marcus Burghardt, der Bocholter
Marcel Sieberg und Eisenhüttenstädter
Roger Kluge leisten müssen. Außerdem ist das erste Mal seit 4 Jahren wieder ein deutsches Team bei der Tour vertreten. Im Continental-Tour-Team NetApp-Endura hat mit
Andreas Schillinger und Paul Voss allerdings nur 2 deutsche Fahrer im Tour-Kader.