Niersbachs Erklärungen
Nicht ein Wort über Dreyfus
Von Anno Hecker und Michael Ashelm
18.10.2015
DFB-Präsident Niersbach äußert sich in zwei Erklärungen und einem Selbstinterview. Dabei verheddert er sich in Widersprüche.
Wie glaubwürdig ist der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)? Wolfgang Niersbach wollte auch am Sonntag konkrete Fragen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Details der Vorwürfe rund um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland nicht beantworten. Zur Klärung bot der Chef des größten Fußballverbandes der Welt von Freitag bis zum Sonntagabend zwei Presseerklärungen im Namen des Verbandes und das Selbstinterview vom Samstag auf dfb.de an.
Sie sind widersprüchlich. Denn diese Verlautbarungen erwecken den Eindruck, Niersbach habe vor Monaten und Wochen eine Überprüfung mit Hilfe von Mitarbeitern und externen Experten „angeordnet“. Die Formulierungen lassen keinen Zweifel: „Aus Anlass (...) der immer wieder auftretenden Mutmaßungen in den Medien hat sich der DFB in den vergangenen Monaten intern mit der Vergabe der WM 2006 befasst.“ Und als er Wind von einer 6,7-Millionen-Euro-Zahlung durch das Organisationskomitee unter Präsident Franz Beckenbauer (mit seinem Vize Niersbach) bekam, habe „der DFB-Präsident“ die Hinweise „im Sommer dieses Jahres zum Anlass genommen, eine interne Untersuchung anzuordnen(...), unter Hinzuziehung externer Rechtsberater. (...) Ein abschließendes Ergebnis liegt dazu noch nicht vor, die eingeleiteten Prüfungen dauern noch an. Dazu gehört auch die Prüfung durch den Kontrollausschuss.“
Behauptungen mit Widersprüchen
Was sollte diese Mitteilung vom Freitagvormittag sagen? Dass Niersbach im Sommer alle Mittel und Gremien eingeschaltet haben will, um herauszufinden, ob das Organisationskomitee, dem der DFB-Boss angehörte, sich etwas zu schulden hat kommen lassen. Das wäre ehrenhaft. Nur wusste das DFB-Präsidium nichts von diesen Aktivitäten zur Aufklärung einer für den DFB höchst brisanten Affäre. Das haben jedenfalls zwei Quellen unabhängig voneinander der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bestätigt. Demnach ist das Führungsgremium erst am Freitag informiert worden. Auch der Kontrollausschuss und die externe Kanzlei seien an diesem Tag mit Untersuchungen beauftragt worden.
Diese Behauptungen stehen im Widerspruch zu den zitierten Formulierungen des DFB, die sich vorwiegend auf den Präsidenten und dessen Doppelrolle beziehen: Untersucher und Verdächtigter. Niersbach hatte in einem vom DFB am Samstag geführten Interview (dfb.de) die Existenz von „schwarzen Kassen“ und Stimmenkauf zum Gewinn der WM-Bewerbung „kategorisch“ ausgeschlossen: „Die WM war nicht gekauft.“ Die gegenteilige Darstellung im „Spiegel“ soll der Rechtsanwalt Christian Schertz im Auftrag des DFB presserechtlich angreifen.
DFB-Präsident kann sich nicht erinnern
Im Fall einer juristischen Auseinandersetzung wird es auch um die Frage gehen, ob Niersbach von der angeblichen Zahlung in Höhe von umgerechnet 6,7 Millionen Euro an den damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus gewusst hat. Damit soll im Frühjahr 2005 ein Darlehen des Franzosen als Stock einer „schwarzen Kasse“ an das WM-OK via Fifa zurückgezahlt worden sein. Niersbach soll auf einem entsprechenden Dokument handschriftlich „Honorar RLD“, das Namenskürzel von Dreyfus, hinzugefügt haben, behauptet der „Spiegel“. Der DFB-Präsident kann sich „daran absolut nicht erinnern“.
Der entscheidende Mann: Der verstorbene Robert Louis-Dreyfus
Damit schloss er am Samstagmittag nicht aus, wenigstens von einer Zahlungsabsicht an RLD Kenntnis gehabt zu haben. Dabei hatte er am Freitagvormittag in der ersten Pressemitteilung des DFB erklärt, dass die vom DFB eingeräumte Überweisung von 6,7 Millionen Euro an die Fifa „in keinem Zusammenhang mit der bereits rund fünf Jahre zuvor erfolgten Vergabe stand“. Wie konnte er sich so sicher sein, wenn er tags darauf die Involvierung in eine dubiose Zahlung an Dreyfus nicht kategorisch ausschließen mochte? Offenbar hat Niersbach bei der vorgeblichen Untersuchung des Falles seit dem Sommer nicht das Dokument gefunden, das der „Spiegel“ anführt. Er bittet um Akteneinsicht.
Die 6,7 Millionen Euro will das OK der Fifa für ein Kulturprogramm während der WM angewiesen haben. Nun spricht der DFB von einer möglichen Zweckentfremdung. Durch die Fifa. Und prüft, ob er Regress fordern kann. Das Kulturprogramm fand nicht statt. Dass die Millionen nicht zurückgezahlt wurden, ist erst jetzt, zehn Jahre später, durchgesickert. Weil auf eine Dokumentation der Zahlung in den Büchern verzichtet wurde? Der Name Dreyfus wird in den Erklärungen von Niersbach nicht einmal angesprochen, dessen Rolle aber auch nicht dementiert. Der DFB will sich erst wieder melden, wenn sich „neue Sachverhalte und Informationen ergeben“.
Quelle: F.A.Z.