Und die Rugby-Spieler von der Insel erleben
Die Waliser habe ich im Stadion gesehen und war positiv überrascht von ihrer variablen Taktik, ihrer Ballsicherheit und ihrer mannschaftlichen Geschlossenheit. Das hat nichts mit Rugby zu tun und wird der Leistung des Teams nicht gerecht. Das Achtelfinale gegen Nordirland habe ich auch als eher schwaches Spiel beider Mannschaften gesehen, doch insgesamt sehe ich das walisische Team nicht als unverdienten Halbfinalisten.
Die Leistungen der Teams kleinerer Verbände finden meines Erachtens nur sehr wenig angemessene Würdigung. Bevor beispielsweise einmal gesagt oder geschrieben wird "das slowakische Team hat verdient gewonnen" wird fünfmal gesagt "Russland ist gescheitert" oder, bei der WM 2012, "Italien hat versagt". Umgekehrt gibt es oft eine Art Knuddelfaktor, dann wird ein Team gehypt, weil es irgendwie als klein und lieb eingestuft wird, während die Favoriten wahlweise als "satt" oder "geldgierig" abgewertet werden. Das auch Spieler aus Island oder Nordirland in Profiligen spielen, das wird gar nicht zur Kenntnis genommen, weil ihre Teams eher als Projektionsfläche dienen. Bei diversen Weltmeisterschaften konnte man das bei Teams wie etwa Trinidad und Tobago oder Jamaica ebenso wahrnehmen. Man kennt keine Spieler, keine Qualifikationsergebnisse, hat von den Fußballstrukturen des Landes überhaupt keine Ahnung, ist aber egal, weil man ihnen einen Coolnessfaktor zubilligt. Ob Hätschelei oder Abfälligkeit, Respekt, den die UEFA ja plakativ einfordert, sieht anders aus.
Sechs Spiele habe ich bei der EM gesehen, am letzten Montag um diese Zeit waren wir gerade unterwegs nach Nice, das waren immerhin angemessen viele Eindrücke eines Endrundenturniers. Und in der Nachbetrachtung sind diese bei mir mehrheitlich positiv. Aber es mag auch daran liegen, wie man ein Turnier sehen will. Wer beschlossen hat, alles nur mies wahrzunehmen, wird dies auch genau so sehen!