Argentinien fehlte meines Erachtens ein Spieler der im defensiven Mittelfeld für Ordnung gesorgt hätte. Ein Spieler wie Schweinsteiger eben. Messi sollte irgendwie alles machen, was er aber ganz einfach nicht machen konnte. Er mag zwar zurückgezogen platziert worden sein, aber in der Anfangsphase habe ich ihn nicht wirklich Defensivarbeit übernehmen sehen.
Stände vor der deutschen Abwehr kein so starkes Mittelfeld, welches viele Angriffe abfängt, dann mag es sein, auch einer unserer Abwehrspieler hätte ähnlich hilflos ausgesehen wie etwa dieser Otamendi.
Die Auftaktphase des deutschen Spiels war beeindruckend, bezeichnenderweise fiel in diesen starken Minuten das Führungstor und auch das schnellste bei dieser WM erzielte Tor. Hier sehe ich einen weiteren großen Unterschied: Das deutsche Team war auf den Gegner bestens vorbereitet. Deren offensive Qualitäten sind bestens bekannt, aber gezielt Druck über die Aussenpositionen auszuüben, das war eine wirklich sehr effektive Waffe gegen die in der ersten Phase des Spiels überraschten Argentinier.
Danach hat es eine längere Zeit gegeben, in der Argentinien sich besser in Szene setzen konnte, aber nicht wirklich effektiv zum Abschluß kam. Freistöße in die Mauer oder gleich drei Angreifer im Abseits, die deutsche Mannschaft wirkte viel besser abgestimmt als ihre Gegner.
Mit dem 2:0 war dann das Spiel doch bereits entschieden. Argentinien machte auf mich ausserdem den Eindruck, als wären die meisten Spieler so nach siebzig Minuten ziemlich platt gewesen. Das schnelle, direkte Angriffsspiel der deutschen Mannschaft beeindruckt ja allerorten, aber für mich liegt ein guter Anteil an dieser Spielweise in einer sehr guten Fitness der Spieler. Schweinsteiger läuft, wenn die Statistik nach dem Spiel so stimmt, in diesem Spiel elf Kilometer. Aber man sieht ihn nicht nach 75 Minuten oder auch nach dem Schlußpfiff ausgepumpt oder mit Krämpfen zusammensinken.
Riquelme, der ja vor vier Jahren eine großartige Partie spielte, und dessen unverständliche Auswechslung damals das Spiel gegen Deutschland noch kippte, hat sich ja wohl mit Maradona verkracht oder der nimmt ihn eben nicht mit. So ein Spielmacher hinter Messi, dann hätte es etwas mit dem Spiel der Argentinier werden können.
Weiterhin vermisste ich bei den Argentiniern Spieler wie Esteban Cambiasso oder Javier Zanetti, immerhin Kapitän des aktuellen Champions League-Siegers. Mit Spielern wie di Maria oder dem völlig überforderten Otamendi kann man doch nicht viel reissen, oder? Oder auch dem viel zu ruppigen Mascherano, der eigentlich viel zu spät gelb gesehen hat.
Ich muss zugeben, ich mag Maradona immer noch. Weil er eben so ein Bekloppter ist, welche der Welt irgendwo erst ihre Farbe geben. Der vor vier Jahren auf der Tribüne den Affen machte, aber wirklich mit seiner Mannschaft gelitten oder sich gefreut hat. Und der auch als Trainer wirklich immer authentisch rüberkommt. Das macht es einfach, auf ihm rumzuhacken oder sich über ihn zu belachen.
Aber statt des Rosenkranzes wäre eine Taktiktafel vielleicht nützlicher gewesen. Vor etwas mehr als drei Monaten weigerte sich Maradona neben Thomas Müller zu sitzen. Er habe den Spieler nicht gekannt. Irgendwie hat man den Eindruck, das war auch am Samstag noch so.
Wo sind die Superstars der WM, die groß in Szene gesetzten Megamänner? Wo sind Drogba, Ronaldo, Rooney, Cannavaro, Kaka und jetzt Messi? Verblieben ist ein Diego Forlan, welcher aber irgendwo nicht zum Superstar taugt. Geblieben sind Spieler wie Klose, Schweinsteiger und Shootingstar Müller. Natürlich auch Robben, Sneijder oder van Bronckhorst, welche aber für mich auch eher Mannschaftsspieler sind. Das gilt für mich auch für Spieler wie Xavi oder Iniesta.
Uruguay statt Brasilien, naja. Verdient haben sich die Urus ihren Platz durch beständige Leistung. Aber auch sie sehe ich als Bestätigung des Mannschaftsspiels, welches derzeit den Spitzenfußball prägt. Und, wie ich finde, diesem gut tut. So affektierte Spieler wie Christiano Ronaldo oder diese divenhaften Franzosen braucht ein gutes Turnier nicht. Messi möchte ich dabei ein wenig in Schutz nehmen, der hat sich, meiner Ansicht nach, durchaus mannschaftsdienlich gezeigt. Und kann eben auch im Grunde nichts dafür, wenn sein eigener Trainer in ihm so etwas wie seine eigene Reinkarnation zu sehen glaubt. Man hat ja auch gesehen, wie ernst die deutschen Spieler ihn genommen haben, wie sehr sie ihn attackierten um ihm keinen Spielraum zu geben. Was er kann ist unbestritten, aber alle Hoffnung auf ihn zu richten kann mit einer guten Spielvorbereitung und einem effektiven Mannschaftsspiel eben effektiv beantwortet werden.
Ich freue mich ungemein für unser Team und habe viel Spaß an so einem schönen Fußball. Billig finde ich dagegen viel von der Häme, welche die Sender und auch die Verlagsmedien teilweise gegen Argentinien allgemein und Maradona speziell richten. Ist das immer noch Nachkarten für das Finale '86? Was auch immer, meist ist es billig und schlecht.