Ich gehe einmal davon aus, dass eine TSG Hoffenheim des alten Zuschnitts nicht in der Lage wäre, die Unterhaltskosten der Rhein-Neckar-Arena aufzubringen.
Da ich ja eben schon einen anderen längeren Text verfasst habe, kann ich auch mal schreiben, was meine Abneigung gegen RB Leipzig begründet:
Meines Erachtens findet im Fußball ein offener Wettbewerb längst nicht mehr statt. Er wurde und wird durch offene oder verdeckte Subventionszahlungen massiv beeinflusst. Von solchen Strukturen profitieren manche Vereine oder Gesellschaften, während sie den Großteil der beteiligten Vereine ausschliessen oder zumindest klar benachteiligen.
Im Vorfeld der WM 2006 wurde in Leipzig ein neues Stadion gebaut, hinzu kam, anders geht es auch nicht, eine entsprechende Infrastruktur. Während aber in allen anderen WM-Stadien eine entsprechende Nutzung bereits vorhanden war und ist, war dies in Leipzig nicht unbedingt gegeben. In dieses relative Vakuum, welches weder Chemie noch Lok angemessen füllen konnten, platzierte ein Konzern wie Red Bull gezielt sein Investitionsobjekt.
Der SSV Markranstädt wurde dafür nicht geopfert, es wurde ja nur das Startrecht des Vereins übernommen und die Fußballabteilung für ein Jahr ausgegliedert. Meines Wissens wurden die Mannschaften RB II, III und IV zu den neuen Mannschaften SSV I, II und III. (Bitte berichtigt mich, wenn ich etwas sachlich falsches schreibe!)
Eine gezielte Investitionsgründung aus Marketinggründen ist in Deutschland nichts neues, vergleichbares haben wir ja bereits im Eishockey, Handball und Basketball erlebt. Fußball ist keine so heilige Kuh, dass man dies dort nicht anwenden dürfte. Doch führen solche Investitionsobjekte, wie aktuell RB, meiner Ansicht nach jeden offenen Wettbewerb ins Absurde. Kein "normaler" Verein kann in vergleichbarem Umfang investieren. Kein Verein kann derart massiv Freikarten ausgeben (für die ja auch 19% Umsatzsteuer bezahlt werden müssen) und damit vergleichbare Defizite einfahren, welche sich in einigen Jahren (so wohl die Kalkulation) dann eben wieder amortisieren.
Meines Erachtens ist die Gründung und Lizenzvergabe an RB ein Beispiel für ein inzwischen völlig verzerrtes Lizenz- und Ligensystem. Es ist wie ein Radrennen, wo die einen Teilnehmer mit Pedelecs antreten dürfen, während anderen nicht einmal eine Gangschaltung zugestanden wird. Selbst ein Uli Hoeness kritisierte ja die Entwicklung des deutschen Fußballs! Dabei hat er allerdings sicherlich niemals vorgehabt, der FC Bayern München AG, deren Aufsichtsratsvorsitzender er ja ist, irgendwelche Umsatzrückgänge oder Nachteile zuzumuten, welche andere Bundesligisten betreffen. Und ich glaube nicht, dass er den unterklassigen Fußball im Blick hatte ...
Noch einmal, meines Erachtens gibt es im deutschen Fußball ein völlig verzerrtes System mit wenigen Gewinnern und vielen Verlierern. RB Leipzig ist derzeit einer der Profiteure dieses Systems. Beispielsweise mit dem gezielten Ausnutzen jener Regelwerkslücke, welche die Gründung samt Lizensierugn durch den NOFV an Stelle des DFB erst ermöglichte.
Ein anderes Beispiel für den aus meiner Sicht verzerrten Wettbewerb ist die Finanzierung des Profifußballs über Fernsehverträge. Es ist aus meiner Sicht ein Unding, wenn über den pauschalen Rundfunkbeitrag jeder Haushalt zur Kasse gebeten wird, und ein erheblicher Teil der eingenommenen Mittel dann über Fernsehverträge an den Profifußball fließen. Das geht aber jetzt zu weit und hat nichts mit RB speziell zu tun.
Das alles sind aus meiner Sicht rationale Gründe. Es gibt aber in uns allen auch eine emotionale Seite. Eben jene, welche die Bindung an unsere Vereine vielfach erst ermöglicht oder dauerhaft hat werden lassen.
RB ist für mich die Antithese zu einem jeglichen Fußball, ob durch Traditionsvereine ausgeübt oder nicht, der für mich ein Teil meines Lebens ist. Alles, absolut alles was Fußball für mich positiv wie negativ prägt, und mich zu einem Fan hat werden lassen, wird von einem Projekt wie RB negiert! Während wir im Umfeld unserer Vereine, oder auch in diesen selbst, versuchen, diese trotz allem am Leben zu erhalten, uns mit kreativem Engagement einbringen, trampelt eine Gründung wie RB über uns und unsere Vereine einfach hinweg. Es ist wie der Abriss eines Wohnviertels samt Vertreibung der Bewohner, die Planierung eines Naturschutzgebietes, der Aufkauf eines Unternehmens mit anschliessender Kündigung der Mitarbeiter. Handlungen aus kalter Berechnung; zum Vorteil einiger weniger und zum Nachteil vieler.
Fußball ist nicht abgekoppelt vom entfesselten Kapitalismus, er ist ein integrativer Bestandteil des selben. Die Massenproteste in Brasilien haben dies gerade wieder erst zum Thema gemacht. RB Leipzig ist nicht "schlimmer" als eine FC Bayern München AG, die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, ein VfL Wolfsburg oder eben eine TSG Hoffenheim. Dieser immer wieder gegebene Hinweis der RB Kunden ist völlig richtig. Aber es ist eine weitere Umdrehung jener Schraube, welche unsere Welt, in der wir Fußball erleben und leben, verändert. Und für uns verschlechtert, auch persönlich. Daher kann ich die Abwehrreaktionen gegen RB nachvollziehen und teilen. Was ich dagegen nicht akzeptiere ist offene Gewaltausübung gegen RB Anhänger. Dafür gibt es, trotz allem, was ich geschrieben habe, keine Rechtfertigung!
Das reicht jetzt. Reaktionen sind willkommen, gerade auch Widerspruch.