Hat keiner mehr Interesse am Football? Die NFL-Playoffs starten heute mit der Wildcard-Runde und es kommt zu folgenden Duellen:
Kansas City Chiefs @ Indianapolis Colts
Beim Sideline Reporter wird dieses Spiel verglichen mit den ersten Minuten einer Party bevor es im Verlauf des Abends interessanter wird. Für mich ist dieses Duell eigentlich kein schlechtes, zumindest finde ich es nicht wirklich uninteressanter als das zweite AFC-Wildcard Duell. Interessant hier ist z.B.: Es treffen das schlechteste Team 2011 (Indy) und das schlechteste NFL-Team 2012 (KC) aufeinander. Da sich im NFL-Football die Vorzeichen aber schnell ändern können, stehen nun beide Teams in den Playoffs.
Das ist in Indianapolis vor allem Andrew Luck zu verdanken. Der junge, deutschstämmige Quarterback führte in seinem zweiten Jahr seine Colts bereits zum zweiten Mal in Folge in die Playoffs. Gut, die Colts haben sich ihren worst-team-Status 2011 vor allem dem Kompletten, verletzungsbedingten Ausfall von Peyton Manning zu "verdanken" und hatte daneben trotzdem Potential. Trotzdem hatten nicht wenige Experten in dieser Saison einen Einbruch für die Colts erwartet. Der kam vor allem aus 2 Gründen nicht: 1.) Die Colts spielen in der schlechtesten Division der NFL (AFC South), aus der sie in dieser Saison glatte 6/6 Siege geholt haben. 2.) Die Colts sind in Duellen gegen Top-Teams verdammt stark. Man schlug in dieser Saison allein 4 weitere Playoff-Teams (San Francisco, Denver, Seattle und bereits vor 2 Wochen schon einmal Kansas City), darunter mit Seattle und Denver die beiden #1 Teams ihrer jeweiligen Conferences. Mit so einer Bilanz sollte man die Colts in den Playoffs nicht unterschätzen.
Neben einem phänomenalen Andrew Luck mit seinem souveränen Passpiel und Gamemanagement sprechen für einen Indy-Erfolg vor allem die Passverteidigung (inkl. des deutschen Erstrunden-Draftpick Björn Werner), die auf den gegnerischen Quarterback ordentlich Druck ausüben können. Dagegen spricht vor allem die Indy-O-Line, gegen die so mancher Schweizer Käse als quasi lochfrei durchgeht. Das bedeutet, dass 1.) Luck kaum Zeit für die Spielzüge bekommt und 2.) das Laufspiel kaum in Gang kommt. Ersteres hat ein Klassemann wie Luck einigermaßen im Griff. Zweiteres ist ein massives Problem, das die Colts die gesamte Saison - trotz "teurer" Verpflichtung von RB Trent Richardson - nicht in den Griff bekamen.
Auf der anderen Seite reisen mit den Kansas City Chiefs das Überraschungsteam der Saison an. Das mit 2-14 Bilanz das schlechteste Team Team der Vorsaison. Dort krempelte man komplett um, holte nen neuen Head-Coach, holte mit Alex Smith nen brauchbaren Quarterback aus San Francisco und beschränkte sich auf ein relativ risikoarmes Offensivspiel. Und das funktionierte und bescherte den Chiefs einen 9-0 Saisonstart, auch weil der Spielplan absurd schwach war (neben den viertplatzierten Teams in der SFC noch die schon angesprochene schwache SFC South + die mittelmäßige NFC East) Am Ende kam KC mit einer 11-5 Bilanz in die Playoffs - jeder kann sich also selbst ausrechnen, wie die zweite Saisonhälfte lief.
Bauen können die Chiefs vor allem auf ihren Running Back Jamaal Charles, auf ein fehlerarmes Offensivspiel und eine richtig gute Defensive-Front-Seven, die gegen die schwache O-Line der Colts. Problematisch wird es, wenn es mal 2nd oder 3rd and long geht und Smith nicht den risikolosen Handoff an Charles oder den risikoarmen Kurzpass spielen kann. Probleme sehen viele auch in der Secondary. Eine unterdurchschnittliche Passverteidigung gegen einen trotz seiner Jugend unfassbar abgezockten Quarterback wie Luck sollte ein klares Mismatch für die Chiefs sein.
New Orleans Saints @ Philadelphia Eagles
Auch hier haben wir mit den Eagles ein relativ schlechtes Team der Vorsaison, welches es als NFC-East-Sieger in die Playoffs schafften. Also jene mittelmäßige Division, in der sich Dallas immer selbst schlägt, Washington unfassbar schlacht war und in der Eli Manning für seine Giants gefühlt 5 Interceptions pro Spiel schmeißt. So bekommt man auch als Nicht-Spitzenteam eine 10-6 Bilanz hin. Das soll die Leistung der Eagles in dieser Saison aber nicht schmälern. Phillie spielte nach Anlaufschwierigkeiten eine gute Saison unter dem Trainernovizen Chip Kelly (der letztes Jahr noch am College in Oregon coachte). Ein weiterer Grund für die Entwicklung der Eagles ist QB Nick Foles, der nach dem holprigen Saisonstart als Starter eingesetzt wurde, dann durchschnittlich knapp 300 yrads pro Spiel, 26 TDs und nur 2 Interceptions warf. Diese Leistung wird ihm dadurch erleichtert, dass die Eagles über eines der besten Laufspiele verfügen, bestehend aus LeSean McCoy, dem #1 Running Back der NFL (nach Laufyards) und einer Offensive Line, die im Laufspiel sehr dominant agiert. Und das ganze in einem richtig hohen Tempo in einer Highspeed-No-Huddle-Offense für die Coach Kelley schon am College bewundert wurde.
Dem stehen mit den New Orlans Saints vor allem ein Faktor gegenüber: Drew Brees. Der hat zwar gerade seinen Passing-yards-Rekord aus 2011 an Peyton Manning verloren, ist aber unbestritten einer von 3 bis 4 absoluten Elite-Quarterbacks der Liga, der ein recht ansehnliches Receiver-Korps um den Super Tight End Jimmy Graham zur Verfügung hat. Mit Pierre Thomas und Mark Ingram stehen zwei verlässliche Running Backs zur Verfügung, wobei letzterer eher ein Typ ist, der dir entweder mal locker ein Spiel dominiert (so fast vor zwei Wochen gegen meine Carolina Panthers) oder eben garnichts reißt.
Defensiv scheint New Orleans richtig stark zu sein, auch wenn sie in den letzten Wochen Schlüsselspieler verloren haben. Gegen den Lauf - Phillies große Stärke - hatten sie allerdings Probleme. Anderseits wird auch erwartet, dass die Eagles defensiv gegen die Saints klar im Nachteil sein sollten. Andererseits kann den Eagles ja nichts passieren. Die Saints sind zu Hause im warmen Louisiana in ihrem überdachten Dome eine Macht, allerdings im Gegensatz dazu total auswärtsschwach (5 der letzten 6 verloren, der Sieg kam gegen die in diesem Jahr grottigen Atlanta Falcons). Das Spiel findet aber in Phillie statt, bei vorhergesagten Minusgraden und Schneefall. Bedingungen wie gemacht für viel Laufspiel.
San Diego Chargers @ Cincinnatti Bengals
Als letztes Team in der AFC qualifizierten sich die Chargers für die Playoffs, womit die AFC West 3 Playoff-Teams stellt. Rein von der Attraktivität des Spiels her wohl gerecht. Die Chargers spielen mit QB Philipp Rivers die beste Saison seit Jahren. Offensiv ausgeglichen mit dem guten Running Back Ryan Mathews (über 1.200 yards in dieser Saison) und dem besten Passpiel seit Jahren. Defensiv hingegen mit ordentlichen Problemen in der Passverteidigung.
Als Gegner treten die Cincinnatti Bengals an, ein eher unspektakuläres Team, welches es aber im dritten Mal in Folge in die Playoffs schaffte. Dort war in den letzten beiden Jahren jeweils in Houston Schluss. Als AFC-North-Sieger hat man nun das erste mal Heimrecht. Gegen ein Team aus Südkalifornien sicher nicht das Schlechteste. Nicht der Schlechteste ist auch QB Andy Dalton, ein Mann der zwei Jahre fehlerminimierend spielte, in diesem Jahr aber den Ball recht oft zum Gegner warf (allein 4 Mal im letzten Spiel gegen Baltimore). Als Anspielstationen stehen Dalton richtig viele Optionen zur Verfügung. Angefangen mit dem Superstar-Receiver A.J. Green über die Receiver Marvin Jones und Mohamed Sanu, Tight End Rookie Tyler Eifert oder Runningback Giovanni Bernard - Dalton hat viele Leute mit guten Händen. Und Bernard ist zudem ein richtig klasse Rusher, der vor allem in der zweiten Saisonhälfte den ehemaligen Nr.1 Running Back BenJarvus Green-Ellis ablöste. Das Prunkstück ders Teams gilt aber die Defensive, die sowohl gegen den Lauf als auch gegen den Pass die fünftbeste der NFL stellt.
San Francisco 49ers @ Green Bay Packers
Das vom Namen her beste Duell gibt es zum Schluss und es treffen alte Bekannte aufeinander. Breits in den letzten Playoffs als auch zum Saisonstart trafen beide Teams aufeinander. Jedes Mal mit dem besseren Ende für die 49ers. Und auch morgen ist San Francisco großer Favorit.
Green Bay hat eine durchwachsene Saison hinter sich, was vor allem daran lag, dass sich nach 7 Spielen (bei einer 5-2-Bilanz) der momentan wohl beste Quarterback der Liga verletzt passen musste. Nach dem Ausfall von Aaron Rodgers vertraute man erst Ersatzmann Seneca Wallace, was richtig in die Hose ging. Dann holte man den ehemaligen Backup Matt Flynn zurück, was nach Anlaufschwierigkeiten besser klappte und die Packers wieder in Schlagweite führte. Zum entscheidenden Spiel in Chicago setzte man dann den noch angeschlagenen Rodgers wieder ein - der mit einem TD 37 Sekunden vor Schluss den Sieg sicher stellte.
Die Packers verfügen - vor allem Dank Rodgers, der auch mittelmäßige Passfänger gut macht - wie immer über eine starkes Passpiel. Neu in dieser Saison ist, dass das Laufspiel eine wirkliche Option darstellt, was vor allem dem Rookie Running Back aus Alabama - Eddie Lacy - zugeschrieben werden darf. Bereits in seinem ersten Profijahr und trotz leichterer Blessuren + einer Gehirnerschütterung knackte Lacy die 1.000 yard Grenze. Was hingegen nicht playoff-würdig ist, ist die Defensive. Wenn die es schaffen, San Francisco bei Field Goals zu halten, kann man das schon als Erfolg werten.
Auf der anderen Seite stehen die 49ers, die in dieser Saison schon etwas ihre Probleme hatten. Nach Passyards steht San Franciscon nur an #30 in dieser NFL. Gut, SF war auch schon in den letzten Jahren eher laufbasiert und wichtige Receiver (Boldin, Crabtree, Manningham) waren lange verletzt. Aber für die Passer-Liga NFL ist es schon ungewöhnlich so durchzukommen. Dagegen läuft das Laufspiel um Frank Gore wie gewohnt, auch wenn die Gegner es geschafft haben, die read-Option-Offense um Colin Kaepernick etwas einzubremsen. Dafür ist die Defensive das gewohnte Pfand, mit dem SF wuchern kann.
Gut, so übel waren die Niners in dieser Saison eigentlich nicht. SF spielte auch keinen leichten Schedule, die 4 Niederlagen gab es ausschließlich gegen andere Playoff-Teams (New Orleans, Carolina, Seattle, Indianapolis). Die eigene Conference war die stärkste der Liga, das Verletzungspech hatte ich angesprochen. Deshalb dürfte SF in Green Bay auch klarer Favorit sein.
Meine Tipps (vielleicht schließt sich ja der eine oder andere an):
- Indianapolis gewinnt gegen Kansas City mit 2 (in der Pause geändert)
- Philadelphia gewinnt gegen New Orleans mit 3
- Cincinnatti gewinnt gegen San Diego mit 9
- San Francisco gewinnt in Green Bay mit 7