Blau-Weiß, das hast Du schön geschrieben. ![.... [daumihoch]](http://www.ofcfans.de/stammtisch/Smileys/default/xyxthumbs.gif)
Ja, das kann ich durchaus bestätigen. Auch wenn es ja teilweise als Widerspruch zu den von mir formulierten Thesen verfasst ist.
Wie übrigens auch ansonsten eine Reihe von interessanten Antworten hier geschrieben wurden.
Fußballgroßereignisse im großen (internationale Turniere) wie im kleinen (Aufstieg unseres Vereins in die Regionalliga) sind für mich jene katalytischen Ereignisse, welche überhaupt erst viele motivieren, sich näher mit Fußball zu beschäftigen, selbst Spaß daran zu haben ins Stadion zu gehen. Ein gar nicht mal kleiner Teil jener Szene, welche meinem eigenen Verein in vier Jahren Oberliga die Treue gehalten hat, ist in früheren Zeiten etwa in der Zeit des Zweitligaaufstiegs als "Eventfan" zum Verein gestoßen.
Tara hat berechtigt darauf hingewiesen, welchen großen Einfluss frühere Turniere auf uns selbst hatten. Noch heute, 34 Jahre später, denke ich an jenen Abend zurück, als ich während der WM in Argentinien von meinen Eltern ins Bett geschickt worden war und am offenen Fenster darauf hörte, was aus den Nachbarhäusern kam. Irgendwann sind wir alle einmal "angefixt" worden.
Manche von uns hatten fußballbegeisterte Väter, die sie mit ins Stadion oder auf den Sportplatz genommen haben. Dies trifft aber nicht auf alle zu. Andere nahmen ihre eigenen Wege zum Fußball. Und fingen auch mal irgendwann komplett ahnungslos an.
Stichwort "Ahnung": Da glauben ja viele, die eigene Sichtweise sei fachkundig und "objektiv", während jene, die eine Situation oder auch ein Spielgeschehen ganz anders einschätzen und bewerten "absolut keine Ahnung haben".
Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Zwei möchte ich nennen:
Ein jahrzehntelanges Mitglied unserer Szene, daheim wie auswärts immer dabei. Als ich ihn mal im Bus auf das zuvor gesehene Spiel ansprach, antwortete er sinngemäß: "Ach, ich merk mir doch nicht, wer wann welches Tor geschossen hat oder wie die spielen. Ich will einfach nur dabei sein und meinen Spaß haben."
Ein anderer von uns, integraler Bestandteil der Szene, fast jeder kennt ihn. Einmal stand er neben mir, guckte eine Weile dem Spiel zu und meinte dann ganz treuherzig: "Ey, da zuzugucken is ja echt ma intressant. Krieg ich ja sonst net mit, weil ich immer besoffen bin!"
Unsere "Hardcore-Fraktion" verlabert gern mal den Großteil des Spiels mit dem Bierbecher in der Hand, da wird auch mal auf den Platz geguckt, aber das Spiel durchgehend zu verfolgen ist vielen viel zu langweilig.
Alles "echte Fans". Die schon weiss der Gott wo mitgefahren sind, die sich für den Verein geboxt haben oder ein SFS-Tattoo haben stechen lassen, als Tätowierungen noch kein Mainstream waren, den fast jeder mitmacht.
Ihr kennt Eure Szenen sicher auch ganz gut. Könnten solche Fans auch bei Euch in der Kurve, auf der Geraden, im Block stehen?
Es gibt einige bei uns, denen ich gern zuhöre, wenn sie über das Spiel sprechen, mit denen man sich auch über das Geschehen austauschen kann. Die eine Aufstellung "lesen" können, ein 0:0 nicht unbedingt langweilig finden, wenn beide Mannschaften ein gutes Spiel gezeigt haben, manchmal auch selbst inzwischen trainieren, etwa im Jugendbereich. Aber die sind, zumindest nach meiner Wahrnehmung, alles andere als die Mehrheit der Stadionbesucher.
Auch wenn es schon einige Tage her ist, möchte ich einen Aspekt noch einmal aufgreifen: Jene die sich "national saufen" und nach den Spielen auf Angehörige anderer Nationen losgehen.
Würden diese von einem solchen Verhalten absehen, wenn kein Turnier wäre? Wären sie dann aufgeschlossen, tolerant, gelassen? Oder gibt es in jeder Masse immer einen Anteil von Idioten diverser Art, die das Ereignis zum Anlass nehmen, um zum Beispiel auf andere (Fans, Ausländer, jeden der grad da ist) losgehen zu können?
Dagegen möchte ich die von Euch teilweise so verachteten Massen als positiven Gegenentwurf nennen: Ein Nationalismus, welcher sich nicht aggressiv ausdrückt, der nicht gegen andere gerichtet ist und als kollektives Fest zelebriert wird, ist letztlich das exakte Gegenteil dessen, was fremdenfeindliche und rassistische Gruppen erreichen wollen. Ich persönlich sehe einen großen Unterschied zwischen den Menschen auf den Fanmeilen und bei den Public Viewing-Veranstaltungen und denen, die unter schwarz-weiß-roten Fahnen daherschlurfen und von einem neuen Reich träumen.
Wenn Formen des Feierns übernommen werden, welche bis dahin etwa Südeuropäern vorbehalten war, wie beispielsweise Autokorsi, dann empfinden das etliche als "aufgesetzt" und "unpassend". Deutsche haben sich anders zu freuen!
Meine Prognose: Es wächst gerade eine Generation heran, welche diese Art der gemeinsamen Inszenierung, des gemeinsamen Feierns, als völlig normal empfindet. Denen fehlt der Vergleich zu jenen Zeiten, auf die sich berufen wird, wenn man sich davon abgrenzt. Wie es übrigens sicher auch in eben dieser Generation solche geben wird, die das albern finden und dabei nicht mitmachen!
Irgendwann wird es einmal eine Zeit geben, als man über diese Jahre, welche wir jetzt erleben, ähnlich in der Rückschau sprechen und schreiben wird, wie etwa einige von uns über die WM '78 oder '82 reden. Als Ereignisse, die man abgespeichert hat, die was ausgelöst haben, die man selbst ganz individuell erlebt hat. Und dabei gleichzeitig Teil einer Masse gewesen ist. Als Stadiongänger, Fernsehzuschauer oder Fanmeilenbesucher. So wie wir selbst auch ...