Oh, wir machen einen Generationenkonflikt auf? Wir waren die Geilsten und alles, was nach uns kommt, ist nur noch ein Abstieg?
Erzählt doch noch mal, wie geil die Kuttenzeit mal war!
Mitte der Achtziger, da war ich siebzehn, wurde ich von BVB/Nazischlägern aus dem Umfeld der Borussenfront und der FAP zusammengetreten.
Zum ersten Mal gezielt mit Bierflaschen beworfen wurde ich Anfang der Neunziger. Damals in einem Oberligaspiel im Sauerländischen Lennestadt.
Bei einem Schalkespiel gegen den KSC erlebte ich zum ersten Mal wie Busse "entglast" wurden.
In der Oberliga gab es
regelmäßig "Matches", mal abgesprochen, mal spontan entstehend.
Bei einem Montagsspiel in Frankfurt wurde ich am Bahnhof Sportfeld von Nazischlägern aus dem OFC-Umfeld zusammengeprügelt.
Unsere international fahrenden Hauer erzählten einem dauernd im Block von ihren "Schlachten" gegen englische, italienische, russische oder türkische Gegner.
Das sind natürlich nur einige schlaglichtartige Momentaufnahmen aus der Zeit, die sich viele hier scheinbar wieder zurückwünschen.
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"Spielbezogener Support" - ja, den gab es. Manchmal konnte das sehr gut sein, manchmal auch situationsbezogen und kreativ. Aber selbst in Bundesliga- oder Zweitligaspielen kann ich mich an durchaus lange Pausen erinnern, bis mal wieder irgendwer was anstimmte, wo andere auch mitgemacht haben. Es waren oft nur die immer gleichen Stakkatorufe, aber immerhin auch die gezielte Anfeuerung eigener oder Beschimpfung gegnerischer Spieler. Die U-Bahn wurde übrigens damals in sehr vielen Stadien gebaut.
Ich will hier niemand die Zeit ausreden oder schlechtreden, in der hier so viele ihre beste Zeit als junge, begeisterungsfähige Fans erlebt haben. Aber war das wirklich das Universalmodell, welches von einer Generation auf die andere unverändert übernommen werden muss? Damals war Fußball fast eine Art Randsportart, die lang nicht so viele Menschen anzog wie heute. So groß waren viele Szenen gar nicht, heute finden sich bei vielen Vereinen größere Mengen von aktiv mitmachenden Jungen und Mädchen (es gibt auch immer noch sehr viele, die sich den frauenfreien Fußball zurückwünschen ...!) als in vielen ehemaligen Szenen.
Ich mag längst nicht alles, was Ultra ist. Aber ich habe in den letzten Jahren mehr kreative Gesänge gehört, als zuvor in eineinhalb Jahrzehnten "Kuttenfußball". Ich erlebe mehr aktiv mitmachende, vielfältig engagierte und vor allem junge Fans als in Zeiten, als ich in einem Oberligaspiel mit Anfang Zwanzig einer der jüngsten im Stadion war.
Unsere Ultras engagieren sich von sich aus gegen Nazis und Rassisten, übertönen "Zigeuner" und "Juden"-gesänge, schmeissen Nazis aus dem Block. Davon habe ich viele Jahre lang geträumt, als hier noch die "Alten" das Sagen hatten!
Initiativen wie "ProFans", welche sich im Fußballumfeld vielfältig und gesellschaftspolitisch engagieren, leben doch vor allem von den Ultras, ihrem Engagement und ihrem Wunsch, Freiräume zu erhalten, die uns der Ordungs- und Sicherheitsstaat immer mehr einschränkt.
Nein, es ist nicht alles richtig, was die Ultras machen. Auf keinen Fall. Aber wenn sie skandieren "Fußballfans sind keine Verbrecher", dann beziehen sich viele dieser Anlässe auf Schikanen, Verbote, Stadionverbote und alle Auswüchse des Ordnungsstaates, der eine Randgruppe wie Fußballfans behandelt, wie es früher bei Teilnehmern politisch motivierter Veranstaltungen schon der Fall war. Über den "Schwarzen Block", die "Randalierer", "Chaoten" und "Gewalttouristen" wurde ebenso geredet, geschrieben und so wurden sie auch behandelt. Und jene, die Ruhe und Ordnung als oberste Werte verinnerlicht hatten, klatschten Beifall dazu. Wer die Ultrabewegung auf Krawall und Pyro reduziert, der stigmatisiert die Ultras so, wie man uns früher ausgegrenzt und beschimpft hat.
Ich bin kein Ultra. Ich bin zu alt dazu, komme aus einer anderen Zeit. Aus der gleichen, die viele von Euch wohl auch geprägt hat. Aber dieses Ultrabashing, gekoppelt mit Reflexen des Untertanen (draufhauen, wegschliessen, rausschmeissen), mache ich mit voller Absicht nicht mit.
Nein, noch mal, ich bin kein Ultra. Aber in den Bussen, die wir zu Auswärtsspielen organisieren, da sitze ich mitten unter ihnen. Wir stehen zusammen im Block, wir kriegen zusammen das Pfefferspray ab oder werden von der Polizei eingekesselt. Wenn die Frage aufkommen sollte "which side are you on", dann wird mir die Wahl schwer fallen. Denn ich kenne ebenso viele "Alte", "Normalos" und "Schalträger". Aber mich irgendwohinstellen und mit den Fingern zeigend zu sagen "guckt mal die da, gut das wir nicht so sind" bringe ich nicht fertig.
Abschliessend: Wer Scheisse baut, egal welche, soll dafür auch persönlich einstehen. Alles andere ist asozial und feige.
(Dieser Text wurde "aus dem Bauch heraus" und ohne Nudelsalat oder andere Hilfsmittel verfasst!)